Patientenverfügungsqualität: Fragwürdige Formulierungen

In den Vorgaben der meisten Anbieter (die sich auf die Textbausteine des BMJV von 2004 beziehen [im Wesentlichen unverändert neu aufgelegt im August 2019]) steht als erste von vier Situationen, für die eine Patientenverfügung zu beachten sein soll:
»Wenn ich mich aller Wahrscheinlichkeit nach unabwendbar im unmittelbaren Sterbeprozess befinde ...«

Dazu habe ich einige Fragen:
1. Wie ist der Sterbeprozess definiert, d. h. in welchem Zeitraum ist – beim Unterlassen sterbeverzögernder Maßnahmen – mit dem Tod zu rechnen?
2. Sind »aller Wahrscheinlichkeit nach unabwendbar im unmittelbaren« nicht Einschränkungen, die die Situation sehr dehnbar machen?
3. Sollte nicht sicherheitshalber hier auch der Zusatz »selbst wenn der Todeszeitpunkt noch nicht absehbar ist«, wie er bei der zweiten Situation angefügt ist, auch angefügt werden?
4. Ist der Sterbeprozess nicht eigentlich eine Situation, in der ein ethisch handelnder Arzt keine Sterbeverzögerung mehr versuchen, sondern palliativmedizinisch begleiten würde?
5. Ist nicht auch in der Eingangsformel »… für den Fall, dass ich meinen Willen nicht mehr bilden ... kann« das »mehr« eine interpretierbare Einschränkung, die im schlimmsten Fall argumentativ ausgenutzt werden könnte?

Ich weiß, dass dies alles Spitzfindigkeiten sind, aber auf sowas berufen sich manchmal Ärzte und gerne auch Juristen, was zu langwierigen Streits führen kann, während derer weiterbehandelt und abgerechnet werden kann.

Ich hoffe hier findet sich Leute, die auf diesem Niveau denken und argumentieren mögen.

Soweit mein erster Beitrag hier. Bleibt gesund ...

Frank
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Über diese, wie Du selbst schon schreibst, "Spitzfindigkeiten" solltest Du besser mit den entsprechend medizinisch und juristisch sehr gut ausgebildeten Berufsgruppen diskutieren. Hier in einem Haushaltsforum wirst Du wohl kaum konkrete und rechtlich wie auch medizinisch bindende Auskünfte und fachgerechte Erklärungen zu diesem brisanten und wichtigen Thema finden.

Es werden nur weitere, mehr oder weniger schwammige Vermutungen geäußert werden, die ganz sicher nicht Deiner Vorstellung von Aufklärung zu diesem komplexen Sachverhalt entsprechen.

Ach, ganz vergessen, willkommen hier! Soviel Zeit sollte immer sein!

Bearbeitet von Brandy am 28.03.2020 15:55:10
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Hallo Frank,

wie du schreibst bist du als Sterbebegleiter tätig, da müsst du dich aber mit der Tematik sehr gut auskennen, zumindistens wissen, wohin du dich wenden kannst mit deinen Fragen..
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Hallo, @Frank,

ich kann mich da nur den Aussagen von @Brandy anschließen: du wirst hier bei uns keine verbindlichen Aussagen erhalten, die entsprechend fundiert wären, als Grundlage zu dienen.- Dafür gibt es sicherlich Fachforen, in denen du diese Fragen aufwerfen kannst, und wo dir auch Fachleute antworten können.- Das eigene Dafürhalten entspricht nicht unbedingt der geltenden Rechtsprechung, das haben wir sicherlich Alle schon auf irgendeine Weise zu spüren bekommen.

Bearbeitet von allesaufanfang am 28.03.2020 16:41:34
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Liebe Leute,

herzlichen Dank für Eure Reaktionen, aber es ging mir nicht um fachlich verbindlicche Auskünfte, sondern darum zu erfahren, was Menschen wie Ihr, mit ihrem gesunden Menschenverstand dazu sagen. Immerhin sind das genau die Formulierungen, mit denen Menschen konfrontiert sind, die versuchen sich eine Patientenverfügung zu erstellen.

Meine These ist, dass die meisten die Problematik dieser Formulierungen nicht erkennen und möglicherweise später erleben, dass Ihr intendierter Wille keine Beachtung findet, dann aber nicht mehr in der Lage sind, sich dagegen zu wehren.

Nicht unmsonst (im wahrsten Sinne des Wortes) leiden heute viele Menschen unter sinnloser Übertherapie.

Ich hoffe, diese Erklärung hilft Euch die Scheu zu überwinden. Tut mir leid, dass ich das nicht gleich zum Ausdruck gebracht habe.

Herzliche Grüße und bleibt gesund

Frank
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Menschen mit gesundem Menschenverstand gehen mit solchen Dingen zu Leuten, die sich mit so etwas auskennen und pusseln da nicht selbst dran rum.
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Wir haben uns diesbezüglich auch schon ein paar Vorträge angehört mit anschließender Diskussion und sind zu der Erkenntnis gekommen, dass man eine Patientenverfügung nicht mit 100%tiger Sicherheit formulieren kann, denn es kommt ganz darauf an, an welchen Arzt man gerät und wie der diese Angaben interpretiert.
Man kann nicht jede mögliche Situation auflisten, die in Frage käme in die der Patient kommen könnte und daher kaum auf alle eine darauf beziehende Behandlung bestimmen.
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Zitat (Binefant @ 28.03.2020 21:26:35)
Menschen mit gesundem Menschenverstand gehen mit solchen Dingen zu Leuten, die sich mit so etwas auskennen und pusseln da nicht selbst dran rum.

Genau so. Ich würde weder eine Patientenverfügung noch eine Vorsorgevollmacht selbst erstellen, ich würde das immer einen Fachanwalt machen lassen. Die Kosten dafür übernehmen manche Rechtsschutzversicherungen. Unsere jedenfalls.
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Sorry Leute, es geht mir hier nicht um allgemeine Aussagen, wie »es kommt darauf an, wie der Arzt diese Angaben interpretiert«, sondern um die konkreten Formulierungen, die ich aufgeführt habe, denn die werden gerade von Leuten verwendet, die vorgeben sich auszukennen (siehe BMJV). Weil die Formulierungen die genannten Probleme aufweisen, können Ärzte überhaupt auf die Idee kommen, sie zu interpretieren und weil sie ursprünglich vom BMJV kommen, glauben so viele, man müsse sich daran halten und wäre dann auf der sicheren Seite, aber wie die Praxis manchmal zeigt: weit gefehlt.
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Ich finde am Wichtigsten, daß man sich überhaupt um eine Patientenverfügung und Betreuungsverfügung kümmert. Kostenlos und einfach über im Internet verfügbare Formulare: dann hat man schon wenigstens etwas.
So etwas habe ich schon seit Jahren; gerade wollte ich es beim Notar noch gründlicher machen - ist leider wegen der Virenkrise schwierig.
Am Ende kann man nur hoffen, an vernünftige Ärzte zu geraten: bei denen sollte der Papierkram eher unnötig sein. Wenn man an einen unvernünftigen Arzt gerät, können die Papiere vielleicht helfen; dann wahrscheinlich je mehr Stempel, desto besser..

Zu den gefragten Formulierungen: so etwas scheint bei den Juristen in Mode zu kommen; siehe die so schlampig formulierten Datenschutzregeln, daß alle quasi aus Aberglauben irgendwelchen abgeschriebenen Unfug in ihren Webseiten schreiben, weil es kaum Gerichtsurteile gibt. Finde ich sehr bedenklich, wenn Gesetze effektiv von Richtern präzisiert werden statt vom Gesetzgeber. Aber wie gesagt, es wird nur sehr selten zu solchen Streitfällen kommen, wo wirklich die Verfügungen vor Gericht bewertet werden müssen. Bis die deutschen Gerichte damit fertig sind, ist der Patient wahrscheinlich tot. :pfeifen:
Edit (spade hat mich überholt): ich fürchte, in den meisten Fällen ist dann der Arzt der "Richter" - als derjenige, der die Gummiparagraphen interpretiert. Vor Gericht und auf hoher See... - hier im Krankenzimmer sind wir in der Hand der Halbgötter in Weiss..

Bearbeitet von chris35 am 28.03.2020 22:06:46
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Fachanwälte, die das nötige medizinische Fachwissen haben sind sehr selten, wie z. B. Wolfgang Putz aus München. Die meisten anwaltlichen Patientenverfügungen, die ich in meiner Praxis gesehen habe, sind nicht besser als was das BMJV vorgibt, manchmal sogar schlechter, weil sie an den Texten rumgefriemelt haben um sich nicht vorwerfen lassen zu können, sie hätten einfach beim BMJV abgeschrieben und würden dafür jetzt viel Geld verlangen.
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Zitat (spade @ 28.03.2020 22:00:23)
Fachanwälte, die das nötige medizinische Fachwissen haben sind sehr selten, wie z. B. xy aus z.


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Zitat (Jeannie @ 28.03.2020 22:06:29)
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:daumenhoch:
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Der gesunde Menschenverstand nutzt Einem im Zusammenhang mit juristisch verbindlichen Aussagen -wie hier- absolut nicht Viel.- Es ist Alles letztendlich Auslegungssache, und die endgültige Entscheidung liegt beim Arzt, bzw. Gericht, wenn das denn noch mit einbezogen werden kann aus zeitlichen Gründen.

Wenn du doch, wie es recht deutlich klar ist, beruflich mit dem Thema betraut bist, solltest du doch besser informiert sein, als wir.
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