Sünndag.....und Zeit wirds Es war einmal....
eine dicke Buche, deren Platz im Wald genau neben einer Fichte war. Die ersten Jahre ihres Daseins war es dem Laubbaum völlig egal, das der unmittelbare Nachbar etwas anders war und auch anders aussah. Aber im Lauf der Zeit wurde die Stimmung zwischen beiden schlechter und eine heftige Streiterei brach selbst wegen Kleinigkeiten immer wieder aus.
„Mit so einem Nachbarn ist man gestraft für das ganze Leben“, sagte die Buche, „wenn du wenigstens so aussehen würdest wie ich.“ Die Fichte musste darüber hämisch lachen: „Wenn ich so aussehen würde wie du, würde ich mich sogar darüber freuen, wenn der Holzfäller käme.“
An einem anderen Tag maulte die Fichte in Richtung der Buche: „Wenn der Wind von Osten kommt, möchte ich gerne mal wissen, warum Teile deiner hässlichen Äste immer gegen meine Rinde kratzen.“ Da sagte die Buche: „Du glaubst doch nicht im Ernst, das ich dich absichtlich berühre. Allerdings können dich die Kratzer auch nur verschönern.“
Und so ging das tagein, tagaus. Die Bäume in der Umgebung rollten mit den Augen und schauten genervt zur Seite, wenn die beiden Streithähne ihre Gespräche auf dieser Art anfingen.
Irgendwann rümpfte eine alte Kastanie ihre Nase und sprach: „Ich glaube nicht, das wir hier jemals etwas Ruhe bekommen werden, wenn wir nicht was unternehmen. Lasst uns den weisen Baumgeist rufen. Der wird sicherlich eine Lösung finden.“
Der Baumgeist hörte die Rufe der Bäume, die ihn um Hilfe baten und eines Morgens stellte er sich vor Buche und Fichte. Geduldig hörte er sich die Klagen der beiden Dickköpfe über den jeweils anderen an und konnte dabei nur mit Mühe ein Lächeln und Kopfschütteln unterdrücken. Aber als die Buche etwas von einem Umzug faselte und die Fichte beifällig und begeistert nickte, verdüsterte sich sein Gesicht und er sprach im ernsten Ton zu den beiden Tunichtguten: „Meine Freunde, ihr solltet alt und vernünftig genug sein, um den Sinn zu verstehen, das ihr beisammen steht. Ein Wald nur aus deinesgleichen, Buche, oder deinesgleichen, Fichte, wie sähe das aus? Es würde die Hälfte aller Vögel fehlen, die entweder nur in Laubbäumen oder Nadelbäumen nisten. Habt ihr darüber schon mal nachgedacht? Was ist mit dem Wind, der an euch zerrt und ruckelt? Stehen nur euresgleichen hier, habt ihr gegen Stürme keine Chance. Bäume verschiedener Art müssen eng zusammenrücken, um so was zu überstehen. Was ist mit Schädlingen, die nur dich oder dich angreifen? Ihr schützt euch durch eure Nähe. Einer stützt den anderen, das ist in Wäldern immer so. Fragt die Kastanie, die neben einer Eberesche steht. Oder die große Tanne, die schon jahrzehntelang neben dem Ahorn verweilt. Nein, meine Bäume, ein Umzug kommt nicht in Frage. Nur der gegenseitige Respekt und Freundschaft kann euch vor Verderben schützen. Denkt noch mal darüber nach.“
Nachdenklich senkten die beiden so verschiedenen Bäume die Augen und jeder sinnierte vor sich hin. So merkte keiner von beiden, dass der weise Baumgeist sich langsam zurückzog, weil er spürte, dass die Vernunft zu den beiden Streithähnen zurückkehrte.
Nach einer ganzen Weile sprach die Buche: „So habe ich das noch nie betrachtet. Es tut mir übrigens leid, das ich bei Wind deine Rinde immer zerkratze.“
Die Fichte schüttelte ihr Haupt: „Es war nie ein zerkratzen, das war übertrieben. Schön, das du mich stützt.“
Die anderen Bäume in der Umgebung atmeten hörbar auf. Endlich war wieder Ruhe im Wald und alle nickten zufrieden.
Das Frotzeln hörte zwischen unseren beiden Freunden übrigens nie mehr ganz auf, aber alle wussten, dass es nicht so ernst gemeint war.
Und solltet ihr mal in einem Wald abends spazieren gehen und eine Buche und eine Fichte sehen, die eng zusammen stehen, dann hört einmal genau zu. Vielleicht trägt der Wind ein gemurmeltes „Gute Nacht, dicker Laubträger“ oder ein „Gute Nacht, Krüppelkiefer“ zu euch.
Dann, ja dann, habt ihr wahrscheinlich unsere beiden Freunde gefunden.