@ Monschi,
ich finde das ganze Thema schwierig. Ich mag nur keine Lynchjustiz.
Die Eltern des Jungen tun mir unendlich leid, weil die Schreckliches durchmachen.
Sie werden aber für sich selbst einen Weg finden müssen, um ihre Wut, ihren Hass, ihre Rachegelüste, ihre Trauer und ihren Schmerz zu verarbeiten. Das wird ein langer Weg werden.
Ich habe mal etwas Ähnliches erlebt, nicht ganz so schlimm natürlich (vergleichen lässt sich sowas sowieso so nie). Vor 11 Jahren wurde mein damaliger Lebensgefährte ermordet. In der ersten Zeit, wenn der Täter da vor mir gestanden wäre, ich glaube, ich hätte den wahrscheinlich eigenhändig kalt gemacht, egal wie. Wäre mir auch egal gewesen, wenn ich dafür selbst ins Gefängnis gewandert wäre. Auch wenn mir natürlich klar war, dass das meinen Freund nicht wieder lebendig machen wird. Auch wenn mir klar war, dass ich dadurch auch wieder Leid und Schmerz über andere Menschen (Angehörige des Täters) bringen würde. Auch wenn mir klar war, dass sich Mord niemals rechtfertigen lässt, auch nicht Mord aus Rache und Vergeltung. Ich konnte das alles durchaus reflektieren, und trotzdem, ich kam immer wieder zu dem Schluss: Wenn der Täter jemals vor mir stehen sollte, dann bringe ich ihn eigenhändig um. Wohlgemerkt: Ich hätte mir NICHT gewünscht, dass der Täter gefasst und von einem Richter zum Tode verurteilt und hingerichtet wird - ich hätte es selbst tun wollen.
Also, solche Rachegelüste von seiten der Betroffenen verstehe ich gut.
Heute bin ich froh darüber, dass ich damals nicht die Möglichkeit dazu gehabt habe.
Ich will jetzt hier nicht tiefer ins Detail gehen mit meiner persönlichen Geschichte. Mit den Jahren lernte ich, mit meiner Trauer und mit dem Verlust meines Partners umzugehen. Ich tröstete mich damit, dass der Täter (der damals noch frei rum lief) mit seiner Schuld leben müsse. Irgendwann wurde der Täter gefasst, verurteilt und kam ins Gefängnis.
Das hat mich dann emotional kaum noch berührt. Ich habe es eher mit einem Achselzucken zur Kenntnis genommen. Und irgendwann beging er dann im Gefängnis Selbstmord. In seinem Abschiedsbrief stand unter anderem der Name meines Partners (den er ermordet hatte). Auch das hat mich emotional kaum noch berührt. Oder soll ich sagen, es machte für mich keinen Unterschied mehr, ob der Täter lebt oder tot ist, denn darum ging es gar nicht mehr.
Inzwischen hatte ich nämlich gemerkt, WORUM es bei mir ging: Darum, meine Trauer und meinen Schmerz und meinen Verlust zu verarbeiten. Und irgendwann loszulassen. Erst wenn DAS gelingt, kann man als Angehörige eines Opfers wieder frei und irgendwann auch wieder glücklich leben.
Wenn man sich dagegen ewig an Rachegelüsten festhält - dann bleibt man auch ewig irgendwie Opfer. Und genau das will man ja schließlich nicht.
Ich kann und will meine eigenen Erfahrungen natürlich nicht verallgemeinern. Jeder Mensch ist anders. Ich glaube halt wirklich, durch eine besonders harte und grausame Strafe ist den Angehörigen eines Opfers nicht wirklich geholfen, auch wenn ich solche Rachegelüste wirklich gut nachvollziehen kann, weil ich diese Gelüste selbst hatte.
Wenn eine derartige Gewalttat passiert, dann ist das immer schlimm. Ganz besonders natürlich bei einem Kind. Trotzdem bin ich froh, dass wir in einem Rechtsstaat leben, wo eine Grausamkeit dann nicht von Staats wegen mit einer anderen Grausamkeit beantwortet wird.