Das wird jetzt ein ziemlicher Aufsatz, aber ich will mal einiges loswerden.
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komisch, das erste was hier gestern durchsickerte imbezug auf den taeter war, dass er wahrscheinlich asiatischer abstammung ist...was hat das damit zu tun, dass er sich waffen besorgen konnte. hauptsache vom thema ablenken! mad.gif |
Cutie, das erste, was einem ein Amerikaner doch über sich erzählt, ist, ob er "Irish", "German" oder "Korean" ist - d.h. im Zweifelsfall, wo seine Familie ursprünglich herkam, egal wie lange das her ist. Familienwurzeln sind wichtig und gehören zur Identität. In Deutschland habe ich das nie so stark erlebt. Ich nehme an, dass die deutschen Nachrichten einfach die wenigen Informationen, die am Anfang da waren,übernommen und übersetzt haben - und für Amerikaner ist es völlig normal, dass Dinge wie die Herkunft gleich mitgenannt werden. Da würde ich mir nicht zu viele Gedanken drüber machen.
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Er und seine Frau haben den zweijährigen Berufseinsatz hier total genutzt, um in Europa fast alles kennenzulernen. Die große Ausnahme. |
Das kann ich aus meiner Erfahrung nicht bestätigen.
Ich bin zur Zeit an einer Uni im Mittleren Westen und habe die Leute als sehr offen und interessiert kennen gelernt. Ich habe sicher nicht alle Gruppen und Schichten kennen gelernt - beileibe nicht. Aber viel Interesse und Austausch. Und Leute, die kritisch mit ihrem Land umgehen. Und das nicht nur, weil gerade die Austauschstudentin daneben sitzt.
Klar haben hier mehr Leute Waffen in Deutschland und kann auch sein, dass in Virgina die Waffengesetze extralasch sind, aber für mich ist das kein Grund, warum sowas passiert oder nicht passiert. Ich kann auch mit nem Küchenmesser ausrasten, mit Gift, mit wasweißich. Und zwar überall auf der Welt.
Zum Thema Uni: Nach meinen Erfahrungen kann ich sagen, dass hier viele Sachen extremer sind, vielleicht auch, weil die Leute jünger sind (23 ist für einen Collegestudenten schon relativ alt. Planmäßig ist man mit 21, 22 fertig). Wenn jemand an der Uni sagt, dass er sich als Außenseiter fühlt, dann ist das wie bei uns in der Schule (erinnert euch mal an die Sache in Emsdetten). Der Arbeitsdruck ist hoch, die Uni ist die Community, die man hat - in Deutschland habe ich immer das Gefühl, dass Uni nicht Lebensmittelpunkt ist, nicht so krass wie hier. Der Campus ist ein Mikrokosmos, die Wohnheime sind manchmal wirklich nur ein paar hundert Meter weg von den Hörsälen, das gesamte Leben hängt mit der Uni zusammen -
Freizeit, Lernen, enge Beziehung zwischen Profs und Studenten - es ist alles auch immer auf einer persönlichen Ebene verstrickt.
Wenn du hier an der Uni "versagst", gibt es weniger Möglichkeiten, außerhalb Bestätigung zu finden oder sich auffangen zu lassen. College ist ein geschützter Raum, hier gehts viel um Werte, Anerkennung wird viel über Leistungen an der Uni definiert und über Traditionen der Universität. Das erlebe ich stärker als zu Hause. Wenn man das mit 17,18,19 positiv erlebt, ist das toll. Es kann aber auch umschlagen. Die Ausbildung ist teuer. Jemand mit mittelmäßigen Leistungen und reichen Eltern kann den Kurs zur Not noch mal machen. Wut auf die "rich kids", wenn man das eben nicht machen kann? Na klar.
Aber ich würde euch bitten, die Situation zu überdenken und nicht alles, was ihr negatives über die USA wisst, mit diesem Ereignis zu verbinden. Wenn jemand so furchtbar ausrastet, ist es mir egal, ob er legal oder illegal an die Waffe gekommen ist. Mir ist es egal, ob in den Kinos Gewalt oder doch lieber Sex zensiert wird. Mir ist es wurscht, wie der Präsident an die Macht gekommen ist oder ob in Biologie Evolution unterrichtet wird oder nicht. Ich bilde mir ein, in dieser Sache einen anderen Blick zu haben, weil ich kennen gelernt habe, wie die Unis ticken. Und das ist nun mal das Umfeld, in dem das stattgefunden hat und in dem nach Aussage des Täters sich seine Wut auch aufgebaut hat.
Ich bin über diese Sache genau so schockiert wie jeder andere, mir geht das auch nahe, weil ich immer, wenn ich "College-student" und "Campus" höre, meine Freunde von hier vor mir sehe. Ich will den Täter nicht verteidigen und auch nicht abstreiten, dass in den USA viele Sachen schief laufen, und der NRA-Kommentar ist total daneben. Aber das musste ich mal loswerden. Den Begriff "Indifferenter Ami, alle ballern sie rum, wollen wieder Wild-West-Zustände, so lösen die eh alle Probleme, total religiös und deshalb sehen sie die Fakten nicht, verklemmt sind sie auch noch und oberflächlich dazu" - ich kann diese Stimmung nicht mehr haben. Die USA und Europa/Deutschland sind viel unterschiedlicher, als man denkt. Die amerikanische Kultur würde in Deutschland nicht funktioneren und die deutsche nciht in den USA. Ich hätte das vor einem Jahr auch nicht gedacht, jedenfalls nicht, dass die Unterschiede manchmal so grundlegend sind. Können wir vielleicht mal über China Dampf ablassen? Über Russland?
So, das musste mal sein.
Bearbeitet von jupi am 18.04.2007 06:26:43