Da muss ich auch mal meine kleine Geschichte erzählen. Ich bin ja schon immer "Wessi" gewesen.
Am 9. November 89 hatte ich - wie immer damals - Nachtschicht im Taxi. Das Radio war ausnahmsweise eingeschaltet, weil immer wieder Berichte aus der DDR kamen. Und irgendwann, so nach 23,00 Uhr, kamen Trabbis ohne Ende nach Kassel. Ein Kollege fragte über Funk: "Ist denn heute Trabbi-Treffen am Hauptbahnhof?" Ich war am Heulen, für mich war es das schönste Erlebnis meines Lebens, als plötzlich die Grenzen aufgingen. Ich weiß nicht, zehn, fünfzehn Fahrten habe ich umsonst gemacht, deutschen Menschen, die ich nicht kannte, die Freude gemacht, ihnen nachts unsere Stadt zu zeigen, oder sie zu Adressen zu fahren, die sie mehr vermuteten als wussten.
Ich kannte die Repressalien, die man als Westdeutscher erleben konnte, wenn man über die "Transitstrecke" nach West-Berlin fuhr. Schließlich lebte meine ganze Verwandschaft im Berliner Westteil.
Und plötzlich - war das alles nicht mehr. Man konnte mit völlig fremden Menschen feiern.
Am ersten darauffolgenden Wochende fuhr ich dann mit meiner Mutter und meinem Sohn nach Bad Sooden-Allendorf, eben an der Grenze. Wir fuhren ohne Stress nach Wahlhausen, gegenüber von Sooden. Schauten uns das Dorf an, gingen in die ziemlich verfallen Kirche. Nicht nur wir, sondern auch viele andere "Wessis" schauten sich diese Kirche an.
eine schüchtern wirkende junge Dame erklärte dann die Kirche. Sie war sicher keine Touristenführerin. Ich fragte sie, ob sie irgendein Gefäß habe, wo sie Spendengelder für die Sanierung der Kirche deponieren könne. Sie kam mit einer
Dose. Da habe ich einfach zwei Fünf-Mark-Stücke demonstrativ reingeworfen, schön laut, dass die anderen Besucher das mitbekamen. Und sie bat mich um meine Adresse.
Vier Wochen später bekam ich einen Brief von ihr, dass schon mehrere tausend Mark zur Sanierung zusammen gekommen waren.
Und was habe ich sonst getan?
Von Eisenach bis Dresden, von Nordhausen bis Eisfeld, von Bad Salzungen bis Rügen, ich hab mir die ganze damals noch bestehende DDR angeschaut. Und meine Liebe gefunden. In Lauchröden/Thüringen. Sechs Jahre haben wir dort gemeinsam verbracht. Es waren die sechs schönsten Jahre meines Lebens. Und wir lieben uns noch heute........ nach achtzehn Jahren......
Gruß
Abraxas