Missionieren gegen Darwin
Kreationisten verbreiten in Deutschland Zweifel an der Evolutionstheorie
Christliche Fundamentalisten sagen der Evolutionstheorie auch in Deutschland den Kampf an. Die Evolutionskritiker sind mit einem Schulbuch des Münchner Mikrobiologen Siegfried Scherer auf Mission und verbreiten ihre Ideen vom Schöpfergott in Vorträgen und Videos. Ihr Ziel offenbar: Die Schöpfung nicht mehr als Glaubenssache, sondern als Tatsache in die Lehrpläne zu heben - und Darwins Evolutionstheorie als unwahr zu diffamieren.
In den USA haben die Anhänger des biblischen Schöpfungsglaubens bereits erreicht, dass ihre Idee vom göttlichen Ursprung der Arten und des Menschen im Biologieunterricht gelehrt wird. US-Präsident George Bush tritt für den Schulunterricht in "Intelligent Design" ein, einer als Wissenschaft ausgegebenen Schöpfungslehre.
Vor wenigen Wochen in Ostwestfalen-Lippe: Die freie Christengemeinde Vlotho lädt zu einem evolutionskritischen Vortrag. Christian Dreber von der Studiengemeinschaft Wort und Wissen streut Zweifel an der wissenschaftlich belegten Abstammungslehre. "Ich halte sämtliche Lebewesen, die wir finden, ob wir sie tot finden oder belebt finden, als von Gott geschaffen - auf Grundtyp-Ebene", sagt Dreber. "Ich sehe Hinweise, die von einem Designer oder von einem Planer zeugen."
"Darwinismus blockiert Wissenschaft"
Die Idee vom göttlichen Planer, der Adam als ersten Menschen schuf, verbreiten christliche Fundamentalisten auch in Videos. Weil die Bibel für sie recht haben muss, kann Darwin nur irren. In einem Video heißt es: "Der Darwinismus hat im Lauf seiner Geschichte die Wissenschaft mehrfach blockiert und in Sackgassen geleitet."
Das ist christlich-fundamentalistisches Gedankengut, das auch in der freikirchlichen Gemeinde in Vlotho Eindruck macht. "Es ist leider so, dass die Evolutionstheorie als Wahrheit verkauft wird", sagt ein Gast. "In den Schulen erlebe ich das auch bei meinen Kindern und das ist schade."
"Evolution ist eine Tatsache"
Ein anderer Gast glaubt: "Wenn wir davon ausgehen, dass Adam so geschaffen wurde, muss man natürlich davon ausgehen, dass die Erde wesentlich jünger ist." Eine nur wenige tausend Jahre alte Erde mit von Gott geschaffenen Menschen und Tieren, die die Sintflut überlebten - das widerspricht allen wissenschaftlichen Erkenntnissen, ist für Bibeltreue aber eine absolute Wahrheit, die sie wissenschaftlich zu untermauern versuchen. Dagegen muss Darwins Lehre folgerichtig in Abrede gestellt werden.
Evolutionsbiologen wie Professor Ulrich Kutschera erleben verstärkt Angriffe christlicher Fundamentalisten auf ihre Forschungsgrundlagen. Die Bibeltreuen versuchen, mit pseudowissenschaftlichen Argumenten die göttliche Schöpfung zu belegen. "Evolution ist eine dokumentierte Tatsache, so sicher wie zum Beispiel, dass die Erde keine Scheibe ist", betont Kutschera. "Evolution hat stattgefunden, daran zweifelt kein kompetenter, sachkundiger Biologe mehr." Mit Bezeichnungen wie Schöpfungslehre oder Ursprungslehre würden neue Begriffe geprägt und versucht, Glaubensinhalte mit wissenschaftlichen Fakten auf eine Ebene zu bekommen. "Und das ist ja genau das Fatale, darauf fallen die Leute gerade rein."
Schulbuch gegen Evolutionstheorie
Begriffe wie Schöpfungslehre verbreitet auch der Münchner Mikrobiologe Professor Siegfried Scherer, Leiter der Studiengemeinschaft Wort und Wissen. Scherers Verein organisiert Vorträge wie in Vlotho, gibt evolutionskritische Bücher für Erwachsene und Kinder heraus.
In seinem Biologie-Lehrbuch stellt Scherer die christliche Schöpfungsidee neben der Evolutionstheorie als wissenschaftlich fundiert dar. Danach schuf Gott Grundtypen von Pflanzen und Tieren, aus denen sich weitere Formen entwickelten. Eine davor liegende Evolution aus niedrigeren Arten schließt dieses Modell aus.
"Nicht als Lehrbuch geeignet"
Professor Kutschera findet das Scherer-Buch "in keinster Weise als Lehrbuch geeignet". Naturwissenschaft versuche, die Phänomene der Welt naturalistisch, also auf Grundlage realer Fakten und Befunde zu erklären. "Und diese Bewegung, die eben durch dieses genannte Schulbuch repräsentiert wird, untergräbt jetzt die Methodik der modernen Naturwissenschaften."
Doch Scherer hat Freunde, die ihm in der Aula des Bielefelder Ratsgymnasiums im November 2002 ausgerechnet den Deutschen Schulbuchpreis für sein umstrittenes Evolutionsbuch verleihen. Wolfram Ellinghaus, der Scherer und seine Frau auszeichnet, ist Vorsitzender eines konservativen christlichen Vereins. Er hält die Evolutionslehre für reine Spekulation, sieht sich als von Gott geschaffener Nachkomme Adams - und das soll auch im Biologie-Unterricht verbreitet werden. "Ich halte es nicht für gut, wenn die Jugendlichen im Schulunterricht nur mit der Evolutionslehre vertraut gemacht werden, weil sie da meinen, ohne Gott auskommen zu können", sagt Ellinghaus.
Althaus hoft auf Leser
Für die Laudatio bei der Preisverleihung an Scherer gewinnt Ellinghaus einen Spitzenpolitiker: den heutigen Ministerpräsidenten von Thüringen, Dieter Althaus. In seiner Preisrede sagte er: "Ich hoffe deshalb, dass Ihr Buch nicht nur von Biologielehrern für den Unterricht verwendet wird, sondern auf eine weit darüber hinaus gehende Leserschaft trifft."
Jetzt sollte Professor Scherer eine weitere Ehre zuteil werden: Ministerpräsident Althaus lud ihn für Januar 2006 nach Erfurt ein, um seine Thesen vorzutragen. Kurz vor einem Bericht des ZDF-Magazins Frontal21 lädt er allerdings Scherer wieder aus. Stattdessen soll nun der Biologiehistoriker Uwe Hoßfeld in Erfurt sprechen. Hoßfeld trägt mit der Aufsatzsammlung "Darwinismus und / als Ideologie" auch zur kritischen Diskussion über die Evolutionslehre bei.
Link zum Originalbeitrag des ZDF :
http://www.heute.de/ZDFheute/inhalt/8/0,3672,2396712,00.html
Bearbeitet von Syntronica am 15.11.2005 13:40:00
Kreationisten verbreiten in Deutschland Zweifel an der Evolutionstheorie
Christliche Fundamentalisten sagen der Evolutionstheorie auch in Deutschland den Kampf an. Die Evolutionskritiker sind mit einem Schulbuch des Münchner Mikrobiologen Siegfried Scherer auf Mission und verbreiten ihre Ideen vom Schöpfergott in Vorträgen und Videos. Ihr Ziel offenbar: Die Schöpfung nicht mehr als Glaubenssache, sondern als Tatsache in die Lehrpläne zu heben - und Darwins Evolutionstheorie als unwahr zu diffamieren.
In den USA haben die Anhänger des biblischen Schöpfungsglaubens bereits erreicht, dass ihre Idee vom göttlichen Ursprung der Arten und des Menschen im Biologieunterricht gelehrt wird. US-Präsident George Bush tritt für den Schulunterricht in "Intelligent Design" ein, einer als Wissenschaft ausgegebenen Schöpfungslehre.
Vor wenigen Wochen in Ostwestfalen-Lippe: Die freie Christengemeinde Vlotho lädt zu einem evolutionskritischen Vortrag. Christian Dreber von der Studiengemeinschaft Wort und Wissen streut Zweifel an der wissenschaftlich belegten Abstammungslehre. "Ich halte sämtliche Lebewesen, die wir finden, ob wir sie tot finden oder belebt finden, als von Gott geschaffen - auf Grundtyp-Ebene", sagt Dreber. "Ich sehe Hinweise, die von einem Designer oder von einem Planer zeugen."
"Darwinismus blockiert Wissenschaft"
Die Idee vom göttlichen Planer, der Adam als ersten Menschen schuf, verbreiten christliche Fundamentalisten auch in Videos. Weil die Bibel für sie recht haben muss, kann Darwin nur irren. In einem Video heißt es: "Der Darwinismus hat im Lauf seiner Geschichte die Wissenschaft mehrfach blockiert und in Sackgassen geleitet."
Das ist christlich-fundamentalistisches Gedankengut, das auch in der freikirchlichen Gemeinde in Vlotho Eindruck macht. "Es ist leider so, dass die Evolutionstheorie als Wahrheit verkauft wird", sagt ein Gast. "In den Schulen erlebe ich das auch bei meinen Kindern und das ist schade."
"Evolution ist eine Tatsache"
Ein anderer Gast glaubt: "Wenn wir davon ausgehen, dass Adam so geschaffen wurde, muss man natürlich davon ausgehen, dass die Erde wesentlich jünger ist." Eine nur wenige tausend Jahre alte Erde mit von Gott geschaffenen Menschen und Tieren, die die Sintflut überlebten - das widerspricht allen wissenschaftlichen Erkenntnissen, ist für Bibeltreue aber eine absolute Wahrheit, die sie wissenschaftlich zu untermauern versuchen. Dagegen muss Darwins Lehre folgerichtig in Abrede gestellt werden.
Evolutionsbiologen wie Professor Ulrich Kutschera erleben verstärkt Angriffe christlicher Fundamentalisten auf ihre Forschungsgrundlagen. Die Bibeltreuen versuchen, mit pseudowissenschaftlichen Argumenten die göttliche Schöpfung zu belegen. "Evolution ist eine dokumentierte Tatsache, so sicher wie zum Beispiel, dass die Erde keine Scheibe ist", betont Kutschera. "Evolution hat stattgefunden, daran zweifelt kein kompetenter, sachkundiger Biologe mehr." Mit Bezeichnungen wie Schöpfungslehre oder Ursprungslehre würden neue Begriffe geprägt und versucht, Glaubensinhalte mit wissenschaftlichen Fakten auf eine Ebene zu bekommen. "Und das ist ja genau das Fatale, darauf fallen die Leute gerade rein."
Schulbuch gegen Evolutionstheorie
Begriffe wie Schöpfungslehre verbreitet auch der Münchner Mikrobiologe Professor Siegfried Scherer, Leiter der Studiengemeinschaft Wort und Wissen. Scherers Verein organisiert Vorträge wie in Vlotho, gibt evolutionskritische Bücher für Erwachsene und Kinder heraus.
In seinem Biologie-Lehrbuch stellt Scherer die christliche Schöpfungsidee neben der Evolutionstheorie als wissenschaftlich fundiert dar. Danach schuf Gott Grundtypen von Pflanzen und Tieren, aus denen sich weitere Formen entwickelten. Eine davor liegende Evolution aus niedrigeren Arten schließt dieses Modell aus.
"Nicht als Lehrbuch geeignet"
Professor Kutschera findet das Scherer-Buch "in keinster Weise als Lehrbuch geeignet". Naturwissenschaft versuche, die Phänomene der Welt naturalistisch, also auf Grundlage realer Fakten und Befunde zu erklären. "Und diese Bewegung, die eben durch dieses genannte Schulbuch repräsentiert wird, untergräbt jetzt die Methodik der modernen Naturwissenschaften."
Doch Scherer hat Freunde, die ihm in der Aula des Bielefelder Ratsgymnasiums im November 2002 ausgerechnet den Deutschen Schulbuchpreis für sein umstrittenes Evolutionsbuch verleihen. Wolfram Ellinghaus, der Scherer und seine Frau auszeichnet, ist Vorsitzender eines konservativen christlichen Vereins. Er hält die Evolutionslehre für reine Spekulation, sieht sich als von Gott geschaffener Nachkomme Adams - und das soll auch im Biologie-Unterricht verbreitet werden. "Ich halte es nicht für gut, wenn die Jugendlichen im Schulunterricht nur mit der Evolutionslehre vertraut gemacht werden, weil sie da meinen, ohne Gott auskommen zu können", sagt Ellinghaus.
Althaus hoft auf Leser
Für die Laudatio bei der Preisverleihung an Scherer gewinnt Ellinghaus einen Spitzenpolitiker: den heutigen Ministerpräsidenten von Thüringen, Dieter Althaus. In seiner Preisrede sagte er: "Ich hoffe deshalb, dass Ihr Buch nicht nur von Biologielehrern für den Unterricht verwendet wird, sondern auf eine weit darüber hinaus gehende Leserschaft trifft."
Jetzt sollte Professor Scherer eine weitere Ehre zuteil werden: Ministerpräsident Althaus lud ihn für Januar 2006 nach Erfurt ein, um seine Thesen vorzutragen. Kurz vor einem Bericht des ZDF-Magazins Frontal21 lädt er allerdings Scherer wieder aus. Stattdessen soll nun der Biologiehistoriker Uwe Hoßfeld in Erfurt sprechen. Hoßfeld trägt mit der Aufsatzsammlung "Darwinismus und / als Ideologie" auch zur kritischen Diskussion über die Evolutionslehre bei.
Link zum Originalbeitrag des ZDF :
http://www.heute.de/ZDFheute/inhalt/8/0,3672,2396712,00.html
Bearbeitet von Syntronica am 15.11.2005 13:40:00