Hallo Hornblower,
ich schließe Silber-Oxid und -Sulfid als Ursache für das Anlaufen von Silber nicht aus, wobei das Sulfid die Hauptkomponente sein dürfte, Silberoxid ist weniger stabil und bildet sich, wenn die Beschreibungen in der Literatur richtig sind, erst bei höheren Temperaturen. Unter weitgehend trockenen Bedingungen ist die Bildung von Silbersulfid mit Sicherheit für das Dunkelwerden verantwortlich.
Charly80 beschreibt in ihrer Anfrage nun aber einen Vorgang, der nahelegt, daß in ihrem Fall eine davon abweichende Reaktion ablauft: Ihr Silberbesteck ist aus einem ihr nicht erklärlichen Grund z.Z. bereits nach 14 Tagen zum Reinigen fällig; vorher war die Zeitspanne ca. 1 Jahr, was in etwa der normalen Bildung von Silbersulfid unter den Bedingungen des häuslichen Alltags entspricht.
Den Anhaltspunkt, für den von mir vorgestellten Ablauf, lieferte ihre Beschreibung für die Reinigung mit NaCl, Natron, Al. Unter nassen Bedingungen und Anwesenheit von Halogenid-Ionen läuft die Korrosion an einer Silberoberfläche nach einem ganz anderen Mechanismus ab. In der Archäologie und Numismatik wird die Verkrustung von Silbergegenständen in feuchtem Erdreich (Chlorid-Ionen sind hier immer vorhanden) über die Bildung von AgCl und daran anschließender Umwandlung in Ag, Silbersulfid unter Dunkelfärbung beschrieben. Der Vorgang ist in der Fachliteratur unter Hornsilber-Bildung zu finden. Diese oder eine ähnliche Reaktion dürfte bei Charly80's Naßreinigung zeitgerafft ablaufen. Die Umwandlung des AgCl findet dann anschließend unter trockenen Bedingungen statt. Sicher erfolgt zu dem von mir angenommenen photochemischen Zerfall in elementares Ag auch parallel eine Umsetzung zu Silbersulfid.
Man könnte die Oberfläche mittels physikalischer Verfahren auf ihre Zusammensetzung untersuchen. Röntgenfluoreszens-Spektroskopie (Elektronen von inneren Schalen werden mittels Röntgenstrahlen passender Wellenlänge aus dem Atom/Ion entfernt, die entstandene Lücke in der Schale wird unter Aussenden von Röntgenstrahlung von charakteristischer Wellenlänge durch Elektronen aus äußeren Schalen aufgefüllt) würde sich anbieten, anhand der emittierten Röntgenstrahlung sollten sich Ag-Atome sicher von Ag-Ionen unterscheiden lassen. Eine andere Methode wäre, die Oberflächen-Atome/Ionen durch Aufschießen von ionisierten schweren Edelgasatomen abzuspartern, diese zu ionisieren und dann massenspekroskopisch zu identifizieren, hier sieht man dann Ag, S, O, Cl, Br, ...
Charly80 hat von mir zeitgleich mit der Vorstellung meiner Idee per PM eine kurze Anleitung für ein paar einfache Experimente (Silber so und anders reinigen, teilweise in die Dunkelheit verpacken, teils dem Sonnenlicht aussetzen) erhalten. Mal sehen, ob sie sich nochmals mit Ergebnissen hier meldet, anhand derer sich meine Idee bestätigen oder widerlegen läßt. Das Anlaufen wird jedoch noch einige Zeit in Anspruch nehmen.
Zum Schluß noch ein Tipp zur Weitergabe an die Silber-erfahrene Kollegin:
Die schwarze Patina in den vertieften Arabesken von Silberschmuck läßt sich erhalten, wenn man diese bei der Reinigung, sei es nun mechanisch oder chemisch, mit einem Schutzlack abdeckt, der danach mit Lösungsmittel wieder entfernt wird. Empfehlen kann ich dafür speziell Acryllack. Dieser hat ein gutes Haftungsvermögen, behält eine gewisse Elastizität und läßt sich einfach durch Eintauchen des geschützten Gegenstandes in
Aceton rückstandsfrei wieder entfernen.
Ferner läßt sich mit diesem Lack das komplette Schmuckstück weitgehend vor verändernden Umwelteinflüssen versiegeln und bei Bedarf wieder in den Originalzustand entsiegeln. Interessant ist das vor allem für antike Stücke, die unverändert erhalten bleiben und von der Besitzerin ab und an für ein paar Stunden im Originalzustand getragen werden sollen. Man könnte diese Teile auch in einer Schutzgasatmosphäre aufbewahren, für die wenigsten hier dürfte das jedoch machbar sein.