Zwei große Bäume

Eine Geschichte, vorgelesen von einer Hospizschwester

Zwei große Bäume stehen dicht beieinander im Park. Sie kennen sich schon seit frühester Jugend. Die Äste des einen Baumes ragen in die Krone des anderen. Beide haben sich gegenseitig hervorragend angepasst. Im Frühjahr entfalten sich zur gleichen Zeit die ersten Blätter. Da, wo die Äste sich weiter ausdehnen, hält sich der andere Baum zurück. Beide nehmen Rücksicht aufeinander. Im Herbst machen sie sich für den Winter bereit. Sie schützen sich gegenseitig vor starkem Wind. Der eine Baum gewährt dem anderen Schatten. Sie holen sich aus dem Boden ihr Wasser und teilen es sorgfältig. So haben sich beide gemeinsam entwickelt, sind alt geworden und haben schon viele Jahresringe gemeinsam aufgebaut. Eines Tages schlägt der Blitz in einen der Bäume ein und fällt diesen. Er wird wortlos von Waldarbeitern abtransportiert. Der andere Baum bleibt allein zurück. Er kann einfach nicht glauben, dass sein geliebter, treuer Nachbar nicht mehr da sein soll. Wo sie sich doch für den nächsten Winter schon so viel vorgenommen hatten. Er wünscht, einfach nur einen bösen Traum gehabt zu haben und morgen nach dem Aufwachen sei alles wieder in Ordnung. Doch am nächsten Morgen ist er immer noch allein. Er schaut suchend umher, doch er kann seinen Nachbar nirgendwo entdecken. Er fühlt sich nackt und hilflos. Jetzt erst wird im bewusst, dass er all’ die Jahre vom anderen Baum Schutz geboten bekommen hatte. Er bemerkt, dass er auf der Seite, die dem anderen Baum zugewandt war, schwächer entwickelt ist. Die Äste sind kürzer und weniger dicht mit Blättern übersät. Ja, er muss sogar aufpassen, sich nicht nach der anderen Seite zu neigen und umzufallen. Der Wind fährt ihm garstig in die schwache Seite. Wie schön wäre es doch, wenn sein Nachbar noch da wäre. Er beginnt zu hadern, warum der Blitz ausgerechnet in seinen Nachbarn einschlagen musste. Es gibt noch mehr Bäume im Park. Er hat Angst vor dem langen, harten Winter, den er jetzt alleine durchstehen muss. Er seufzt, fühlt sich einsam. Warum konnte der Blitz nicht sie beide treffen? Nie mehr würde er so einen Nachbarn finden, mit dem er alles teilen konnte. Nie mehr könnten er und sein Nachbar über gemeinsame schöne Stunden sprechen, die sie beide erlebt hatten. Hätte er am Ende seine Äste weiter zu seinem Nachbarn hinstrecken sollen, dass der Blitz auch ihn hätte treffen können? So quälte er sich mit Schuldgefühlen, Ängsten und Verzweiflung. Die Sonne scheint wie immer und sendet ihre wärmenden Strahlen, doch er verspürt sie nicht. Es wurde Winter und er verbringt seine Zeit alleine. Er überlegt, ob dies wohl der Sinn des Lebens sei. Eines Tages, als er wieder einmal grübelte, kam ihm die Idee, dass er sich im nächsten Frühjahr sehr anstrengen könnte, besonders die Äste seiner schwachen Seite wachsen zu lassen. Er könnte versuchen, die leeren Stellen, die der Nachbar mit seinen Ästen ausgefüllt hatte, zu füllen. Er hatte ja jetzt mehr Platz, sich auszubreiten. Er musste keine Rücksicht mehr nehmen und hatte Nahrung für zwei. So begann er, all’ seine Energie darauf zu verwenden, die Lücke, die sein Nachbar hinterlassen hatte, allmählich zu füllen. Ganz vorsichtig ließ er neue Äste wachsen. Es dauerte, aber er hatte ja Zeit. Und manches Mal war er sogar ein bisschen stolz darauf, alleine gegen Kälte und Wind anzukämpfen. Er wusste, dass es nie mehr so sein würde wie früher, aber wenn der Nachbar jetzt noch einmal kommen würde oder gar ein neuer Nachbar, hätte er nicht mehr soviel Platz zur Verfügung wie früher. Eines wusste er genau; er würde den alten Nachbarn nie vergessen, denn er hatte ja die ersten 50 Jahresringe mit ihm gemeinsam verbracht. Zu jedem Jahresring konnte er gemeinsam erlebte Geschichten erzählen. Zu den letzten drei Jahresringen hatte er zu erzählen, wie er gelernt hatte, alleine zu leben, seinen Ängsten eine neue Richtung zu geben und seinen Platz im Park neu zu gestalten.

(unbekannt)

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das ist eine sehr schöne Geschichte

ich kenne jemanden, dem ich sie vorlesen möchte, sie würde so gut zu seiner Situation passen, aber er würde sie nicht verstehen wollen
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Wieviel Lebensweisheit doch in Geschichten steckt!!!
Man kann die Geschichte zwar Betroffenen vorlesen, aber wie 'die Außerirdische' schon richtig sieht, helfen tuts im Moment leider nicht. Das muss man selbst erleben und begreifen - so schmerzhaft der Weg auch ist.
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Ich bin gerührt. Diese Geschichte ist unglaublich schön.
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Danke für die schöne Geschichte, Jo :blumen:
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Danke Yolanda. Diese Geschichte hat mich berührt.
Gerade weil sie für jeden auf irgend wen passt. Irgendwann wird sie auf unsere Situation passen.
Hoffentlich werden auch wir den Willen und die Kraft dieses Baumes haben.
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... Schön, berührend, traurig und stärkend zugleich ...

Das muss ich gleich abspeichern, danke.
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Eine herrliche Geschichte. So ist es auch bei uns Menschen. Jeder ist ein Glied von einer riesigen Kette. Und fehlt mal ein Glied, müssen wir versuchen das bestmögliche draus zu machen! :trösten:
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Danke! :blumen:

Das ist wirklich eine sehr schöne Geschichte!

Die kleine Elfe! :blumen:
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*schluck* sehr schön ! Das echte Leben begreift man oft nicht, aber mit einem solchen Beispiel, kann jeder wieder Mut fassen.
Ein Verlust ist ganz furchtbar, aber es gibt ein Danach, in dem man das Leben, was man ja hat, weiterführt.
Der vom Blitz getroffene Baum hätte es nicht gewollt, dass der Zurückgebliebene nun alles darangesetzt hätte, einfach aufzugeben und einzugehen..... :rolleyes:
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Diese Geschichte kann Jedem Kraft geben, der meint, er könne ohne den Anderen nicht mehr im Leben bestehen.

Sehr schön, wird gleich abgespeichert und weitergegeben :blumen:
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