In letzter Zeit läuft öfter spät nachts auf Südwerst 3 (BW) eine Vorlesung eines Freiburger Literaturprofessors (Name vergessen), der Erschreckendes über die Lesegewohnheiten und den religiösen Fundamentalismus in den USA zu berichten weiss.
Dort gibt es anscheinend eine gewisse Romanreihe, die ähnlich wie bei uns Harry Potter mehr oder weniger regelmässig erscheint und immer auf Platz eins der Bestsellerlisten steht. Extrem stark verbreitet ist in den USA der Glaube, sogenannter "wiedergeborener Christ" zu sein, wobei mit der Wiedergeburt gemeint ist, dass man genau den Tag und die Stunde weiss, wo man zum Christentum bekehrt wurde. Diese Leute, zu denen sich auch George W. Bush zählt, haben konkrete, hanebüchene Vorstellungen z.B. von der sog. "Entrückung", wonach eines schönen Tages (und zwar noch zu ihren Lebzeiten) Gott die Seinen schlagartig zu sich ins Himmelreich holt, und zwar so, dass diese urplötzlich von der Erde verschwinden, nur weltliche Dinge wie Kleider, Prothesen, Herzschrittmacher usw. bleiben von ihnen übrig.
Der genannte Professor führt einige Statistiken an, wonach z.B. 80% oder so der Amerikaner an den Teufel glauben, davon über 50% mit Universitätsabschluss. Eine Mehrheit glaubt auch wörtlich an die Schöpfungsgeschichte der Bibel mit der Rippe Adams und so, nicht etwa an die hoch bestätigte Evoutionstheorie Darwins und eine Menge Leute dort verlangen, dass die Schöpfungsgeschichte mindestens gleichberechtigt an den Schulen gelehrt wird.
Bedenkt man diese weit verbreitete Mentalität, so muss man sich nicht mehr wundern, dass die Amis sich für etwas Besseres halten, z.B. den Islam als satanischen Feind ansehen und alle Welt mit ihrer Ideologie beglücken wollen, sei es auch mit Waffengewalt...
In diesem Zusammenhang habe ich gerade noch folgendes gefunden:
"David Frum, der Redenschreiber Bushs, beschreibt die Gedankenwelt von Bush jun. wie folgt: 'Um Bushs Weißes Haus zu verstehen, müssen sie die Macht dieses Glaubens kennen.' Es finden regelmäßig Bibelrunden statt, und vor jeder Kabinettssitzung muss reihum jemand ein Gebet sprechen. Im Angesicht des Überfalls auf den Irak ein besonderes makaberes Schauspiel."
Und:
"Wer die Ausführungen von Laurent gelesen hat, wird sich über die anmaßende Rede von Präsident Bush vom 8. September 2003, in der er die Staatenwelt in die Pflicht nimmt, nicht wundern. Bush und seine Regierung haben durch den Überfall auf den Irak das Land erst zum Tummelplatz des internationalen Terrorismus gemacht. Was aber jeden Demokraten zutiefst beunruhigen muss, ist, dass die Mannschaft, welche die USA regieren, durch eine Loyalität, ja Korpsgeist zusammengeschweißt wird, mit denen Ethik und Moral auf der Strecke bleiben. "Ehrlichkeit und Anständigkeit sind heute Tugenden, die in den Hintergrund gedrängt werden. Es zählt allein die Loyalität." Das Bild, das der Autor von Männern wie Perle, Feith, Wolfowitz, Abrams, Cheney, Rumsfeld entwirft, ist von Skrupel- und Rücksichtslosigkeit gekennzeichnet. Diese "Bushies" unterwandern nicht nur die amerikanische Demokratie, sondern unterminieren auch die sogenannten westlichen Werte, für welche die Weltgemeinschaft aufgefordert wird, in die Bresche zu springen. Wenn heute in der Bundesrepublik vor "Antiamerikanismus" gewarnt wird und Loyalität gegenüber dem "großen Bruder" angemahnt wird, sollte man zuerst dieses Buch lesen, damit jedem klar wird, für welche Ideologie man in die Pflicht genommen werden soll.
Eric Laurent: Die neue Welt des George W. Bush. Die Machtergreifung der Ultrakonservativen im Weißen Haus. Aus dem Französischen von Karin Balzer, Karola Bartsch, Ulrike Bischoff und Udo Rennert, S. Fischer, Frankfurt am Main 2003, 224 S., 16,90 EUR"
Bearbeitet von kjuu am 05.10.2005 18:05:20