Liebe Muttis,
in den 80er Jahren war ich insgesamt acht Mal zur Erholungskur in einem Kinder-Erholungsheim in Meura (Thüringen). Und nun suche ich Leute, die auch dort waren und mit denen ich Erinnerungen austauschen kann.
Vielleicht ist ja hier im Forum jemand dabei, der/die dieses Kinderkurheim auch kennt...
Ich selbst habe wunderschöne Erinnerungen an diese Zeit:
Eine Kur in Meura dauerte immer vier Wochen. Es kamen aber nicht nur Kinder aus Berlin, sondern auch aus anderen großen Städten der DDR. Für Berliner Kinder (also auch für mich) ging die Reise immer von Berlin-Lichtenberg los, genauer gesagt von der Parkaue Ecke Deutschmeisterstraße.
Dort warteten immer viele Eltern mit Ihren Kindern. Es kamen dann zwei Ikarus-Reisebusse mit jeweils zwei Frauen, die die Kinder während der siebenstündigen Fahrt nach Meura betreuten.
Ja, das dauerte wirklich so lange, weil Busse damals nicht so schnell fahren durften.
Außerdem wurden während der Reise mehrere Pausen eingelegt.
Die Busfahrer luden die Koffer ein. Und damit es beim Einsteigen kein Gedrängel und Geschubse gab, wurden alle Kinder anhand einer Namensliste aufgerufen. Und welcher Name gesagt wurde, der- oder diejenige durfte dann einsteigen und sich einen Platz suchen. So wurde es im Bus immer gehandhabt. Auch dann, wenn wir in Meura ausgestiegen sind, sowie beim Ein- und Ausstieg auf der Heimfahrt. Außerdem bekam jeder vor der Abfahrt eine Reisetablette.
Zum Heim gehörten vier Häuser, soweit ich mich erinnern kann: Das Bettenhaus am Meuraberg, unten an der Straße das weiß-rote Haus, in dem die Heim-Krankenschwester Elfriede wohnte.
Weiter unten war das Haus, in dem es Mittagessen und Abendbrot gab. Und am Berghang gab es noch ein Haus, in dem die Reinemachefrau wohnte.
Als wir in Meura ankamen, wurden wir von den Erzieherinnen (deren Namen ich übrigens auch noch kenne) begrüßt. Dann wurde die ganze Kinderschah in drei Gruppen aufgeteilt:
Die Kleinsten (Kindergarten bis Vorschule) bildeten die Gruppe "Freundschaft", die etwas größeren und älteren kamen zur Gruppe "Pionier" und die ältesten Kinder gehörten der Gruppe "Aufbau" an.
Nach der Begrüßung saßen alle Kinder zusammen in der obersten Etage des Bettenhauses und es wurden die Benimmregeln genau erklärt. Dann wurden uns die Zimmer gezeigt. In den Schlafräumen wurden dann die Koffer ausgepackt und dann stellten wir diese in den Dachspeicher des Hauses.
Und wenn wir nach einiger Zeit schmutzige Wäsche hatten, kam diese immer in unsere Koffer, die die ganze Zeit auf dem Dachspeicher blieben. Und jedes Mal, wenn wir Sachen ein- oder auspackten, hielt die Erzieherin etwas davon in der Hand und fragte wörtlich: "Ricardo, ist das Dir?" Darüber musste ich immer etwas schmunzeln, denn diese thüringische Ausdrucksweise hatte ich vorher noch nie gehört. Aber ich wusste, wie das gemeint war: "Ricardo, gehört das dir?"
Wie der weitere Tagesablauf war, weiß ich leider nicht mehr. Abends hieß es dann Abendbrot essen, waschen und dann war um 19:00 Uhr Nachtruhe. Und jede Nacht war eine andere Erzieherin im Haus, die uns bewachte und mit einer Taschenlampe in die Zimmer leuchtete. Und jedes Mal, wenn noch jemand schwatzte oder Faxen machte, kam die Erzieherin rein und ermahnte diejenigen.
Einmal merkten zwei Kinder beim Schwatzen, dass die Erzieherin im Anmarsch war. Dann warnte einer: "Achtung! Sie kommt! Sie kommt!" Und schon stand die Erzieherin in der Tür, leuchtete wieder mit ihrer Taschenlampe ins Zimmer und meinte: "Sie kommt nicht erst, sie ist schon da!" Dann war alles Mux-Mäuschen-still.
Die nächsten Tage verliefen dann bis zum Ende des Kuraufenthaltes gleich:
Früh um 7:00 Uhr hieß es aufstehen. Dann mussten wir uns alle unter Anleitung einer Erzieherin "trockenbürsten". Das heißt: Wir mussten uns ausziehen und jeder musste sich dann selbst abbürsten. Es wurde uns gesagt, dass dies für die Durchblutung gut ist. Dann trafen wir uns alle in Schlafanzügen in der obersten Etage des Hauses und es war Morgengymnastik mit Schwester Elfriede angesagt. Dann hieß es: Waschen, anziehen und ab zum ersten Frühstück. Das Frühstück gab es immer im Bettenhaus. Es bestand unter Anderem aus einem ganz gesunden Müsli.
Rezept: - 2 gehäufte Esslöffel Haferflocken (am besten vorher einweichen in 6 EL Wasser),
klein geschnittenes Obst nach Wahl, süßen mit Honig oder Zucker, Weizenkeime, geriebene Nüsse, Kokosraspel, Milch. Wenn wir einen Tag zuvor bei einer Wanderung Beeren gepflückt hatten, waren diese am nächsten Tag in das Müsli gemixt worden. Desweiteren gab es Zitronentee und belegte Brote.
Dann folgte die erste Wanderung. Wir liefen durch das Waldgebiet in der Nähe des Heimes.
Danach ging es wieder zurück ins Bettenhaus, wo bereits das zweite Frühstück auf uns wartete:
Soweit ich mich erinnern kann, gab es dann immer Äpfel und Knäckebrot, da kann ich mich aber auch irren!
Dann eine zweite Wanderung durch den Ort, danach Mittagessen im unteren Haus.
Mindestens einmal die Woche bekamen wir dann alle Post von unseren Eltern aus Berlin. Darüber freute sich jedes Kind. Die Karten wurden dann immer von der Erzieherin vorgelesen. Und wir schrieben dann auch Karten aus Meura zurück an unsere Eltern: "Liebe Eltern! Mir geht es gut! Wie geht es Euch" usw...
Einmal ist mir vor dem Essen etwas ganz Kurioses passiert: Ich musste vor dem Essen dringend auf die Toilette. Und bei den Toiletten im Kurheim waren die Wasserkästen oben und mann musste an einer Strippe ziehen, um zu spülen. Als ich mich wieder angezogen hatte und an der Strippe zog, löste sich das Spülrohr vom Wasserkasten. Das ganze Wasser plätscherte mir auf meinen rechten Arm und floss über den Boden unter der toilettentür durch in den Raum zu den Waschbecken. Ich hörte, wie einige Kinder sich erschraken: "Guck mal, da unten kommt Wasser raus..." Ich meldete das Missgeschick sofort einer Erzieherin und die Toilette wurde repariert.
Nach dem Essen hieß es: Wieder zurück ins Schlafhaus, Zähne putzen, mit Sohle-Wasser (Wasser mit Emser-Salz) gurgeln und dann ab ins Bett zur Mittagsruhe.
Dann war "Vesper" angesagt, also Nachmittags-Mahlzeit. Was es da zu essen gab, weiß ich nicht mehr. Aber es gab immer Milch in Glasflaschen mit Papierdeckel. Und zwar jedes Mal eine andere Sorte: Mal Fruchtmilch, mal Vanillemilch und mal Kakaomilch.
Und auch hier kann ich mich auch noch an eine Anekdote erinnern: Es gab im Kurheim eine Erzieherin, die wir alle nicht besonders mochten, weil sie sehr streng war und immer einen bösartigen Ton an den Tag legte. Manchmal sprach sie die Kinder nur mit Nachnamen an.
Nun hatte diese Erzieherin uns an einem Tag während der Vesperzeit beaufsichtigt.
Und die Milch, die wir bekamen, ist schlecht geworden und schmeckte sauer. Das sagten wir der Erzieherin auch, aber die stritt es vehement ab und war fest der Meinung, dass das nicht stimmte. Denn die Milch in ihrer Flasche war noch gut. Nach einigen Minuten Diskussion probierte sie bei einem Kurkind und musste feststellen, dass es tatsächlich stimmte...
Aber nun wieder zurück zu den schönen Erinnerungen: Manchmal machten wir auch eine Kutschfahrt ("Kremserfahrt"). Denn in Meura steht das größte Haflingergestüt Europas. Vom Gestüt kam dann der Kutscher mit einer großen Kutsche und zwei Haflingern. Das war auch immer ein sehr schönes Erlebnis. Wir sind dann bis runter zum Schlagebach gefahren und wieder zurück.
Während der Kur haben wir auch Wanderungen zu den "Meurasteinen" unternommen. Dort war es ziemlich steil und wir mussten sehr aufpassen. Auf einem Felsen der Meurasteine stand eine Schutzhütte. Dort machten wir Rast und die Erzieherin erzählte uns die "Fribbchen-Sage":
Die "Fribbchen" sollen kleine Zwerge gewesen sein, die graue Gewänder und hohe Kapuzen trugen.
Laut der Sage haben sie vor sehr vielen Jahren in den Meurasteinen gelebt und sind als Korbmacher sehr fleißig gewesen...
Einmal pro Kur gab es auch die Möglichkeit, bei den Erziehern Andenken zu kaufen. Was das genau für Sachen waren, daran kann ich mich leider nicht mehr erinnern. Aber kleine Souvenirs halt, als Andenken an die Kur in Meura.
Abends nach dem Abendbrot ging es wieder rauf ins Bettenhaus. Dort trafen wir uns vor dem Schlafengehen im Gruppenraum zur "Auswertung": Das Benehmen eines jeden Kurkindes wurde ausgewertet und in eine Liste mit Namen eingetragen. Wenn Kinder undiszipliniert waren, wurden sie darauf angesprochen, der "Gruppenrat" und die anderen Kinder wurden gefragt, es gab eine Eintragung und derjenige, den es betraf, schämte sich dann.
In unseren Zimmern hing für jedes Kurkind ein A5-Blatt mit seinem Namen und jeweils vier untereinanderliegenden Spalten, für jede Woche eine. In diese Spalten wurde nach jeder Woche ein Papier-Dreieck eingeklebt, welches ein Pionierhalstuch darstellte. Rote Halstücher standen fürh SEHR vorbildliches Betragen, blaue für normales bis schlechtes Benehmen.
Manchmal, wenn schlechtes Wetter war, hörten wir oben im Gruppenraum Kinder-Schallplatten.
Meine Lieblingsplatte war immer "Ferdinands Zauberhäuschen". Auch wurde einmal pro Kur ein Puppenspiel aufgeführt: Der Puppenspieler baute seine Bühne "Frechdachs" auf, spielte uns Geschichten vom Kasperle vor, hatte dann auch immer sein freches "Schnattchen" dabei, dass dann z. B. den Kindern eine Ohrfeige verpasste und sich danach schämte. Und dann waren da noch die beiden Mäuse "Singeschön" und "Springeschön"...
Sehr schön begannen auch immer die Sonntage: Da gab es im unteren Haus auch immer Frühstück, was sonst nur im Bettenhaus der Fall war. Sonntags stand bei uns im Gruppenraum auf den Tischen rotes Plastikgeschirr und es gab heißen Kakao. Nach der sonntäglichen Mittagsruhe schauten wir immer Kinderfernsehen: Die "Flimmerstunde" mit "Professor Doktor Flimmrich". Der erste Fernseher, den ich dort kannte, war ein Farbfernseher vom Typ Raduga 706. Es war ein Fernseher mit einem sehr schönen dunklen Holzgehäuse. Später muss er dann wohl defekt gewesen sein, jedenfalls wurde er dann durch einen neueren, grauen RFT Colotron 4000 ausgetauscht.
Nun ist mir noch etwas eingefallen: Im Waschraum hatten wir einmal pro Kur für jedes Kind jeweils zwei Plastikschüsseln für die Füße: Eine gelbe mit warmem und eine orangene mit kaltem Wasser. Oder war es umgekehrt? Jedenfalls mussten wir dann unsere Füße lange im warmen Wasser haben, dann kurz ins kalte wechseln und wieder zurück ins warme... Auch dies sollte wohl gut sein für die Blutzirkulation. Auch haben wir mehrmals in der Woche geduscht. Ganz lange unter warmem Wasser, dann zum Schluss ganz kurz unter die kalte Dusche. Die wunderschönen gelb gefliesten Waschräume habe ich heute noch vor Augen.
Jedes Kurkind bekam eine sogenannte "Gesundheitsfibel", auf deren Vorderseite das Kurheim in schwarzweiß abgebildet war. In dieser Fibel erklärte Kundi, das "Gesundheitsmännchen", wie man seinen Körper vorbildlich und korrekt pflegt (z.B., dass man nach dem Zähneputzen keinen Betthupfer mehr zu sich nehmen sollte, dass zu viel Süßes ungesund ist etc...). Die Comicfigur "Kundi" war bis Anfang der 90er Jahre das Maskottchen des Dresdner Hygienemuseums. Das Männchen mit der blauen Mütze mit dem gelbem Bommel sehe ich heute noch genau vor mir.
Tja, und nach vier Wochen hieß es dann Abschied nehmen: Auf zur Heimfahrt nach Berlin.
Einen Tag vorher hieß es Koffer packen. Und wieder amüsierte ich mich, wenn ich gefragt wurde: "Ricardo, ist das Dir?". Die fertig gepackten Koffer standen dann über Nacht aufgestapelt im Treppenhaus auf der jeweiligen Etage.
Am nächsten Tag bekamen wir vor dem Frühstück jeweils eine Reisetablette, sowie auch bei der Hinreise. Das waren so ganz kleine, runde, graue Tabletten. Dann wurden wir von den Erziehern gefragt, wie die Kur uns gefallen hat. Dann nahmen wir Abschied, stiegen in die Busse, die Koffer wurden unten eingeladen, die Busse fuhren los und die Erzieher winkten uns hinterher.
Und an eine Heimfahrt kann ich mich noch sehr gut erinnern, weil da folgendes passierte:
Wie erwähnt, waren wir ja immer mit zwei Bussen unterwegs. Und auf den Reisen hin und zurück machten wir, wie bereits erwähnt, mehrere Pausen. Und während der ersten Pause stellte sich heraus, dass der vordere Bus, in dem die Gruppe "Aufbau" saß, plötzlich eine Panne hatte. Was da genau kaputt war, weiß ich leider nicht. Jedenfalls musste die ganze Gruppe samt Gepäck aus dem Bus aussteigen und unser Bus war dann proppevoll. Da im Gepäckraum kein Platz mehr war, mussten die ganzen Koffer aus dem kaputten Bus zu uns hinten in den Fahrgastraum. So fuhren wir dann alle mit einem Bus nach Berlin, der andere musste zurück fahren.
Wenn wir dann nach Berlin reinkamen, wurden im Bus fröhliche Lieder gesungen. Bei einer Heimfahrt (ich weiß nicht mehr, ob es die selbe war) sang ich mit ganz tiefer Brumm-Stimme das Lied "Häns'chen klein" mit und die Betreuerinnen fragten verwundert, wer hier so eine tiefe Stimme hat.
Ich hatte nämlich einige Zeit zuvor eines Abends im Waschraum in Meura plötzlich einen Stimmbruch bekommen. Als ich meine Mutti bei der Ankunft in Lichtenberg mit einem brummigen "Hallo, hier bin ich" begrüßte, bekam diese erst einmal einen Schreck...
Von unseren Eltern wurden wir dann auch wieder in Lichtenberg in Empfang genommen.
Der Unterschied war nur, dass wir bei den Heimfahrten nicht zur Parkaue Ecke Deutschmeisterstraße fuhren (wo unsere Eltern uns verabschiedeten), sondern immer zum Bahnhof Lichtenberg.
Dort konnten wir unsere Eltern wieder in die Arme schließen und jeder hatte dann zuhause sicher eine Menge zu erzählen...
Nach der politischen "Wende" ist das Kurheim leider abgewickelt worden. Die Häuser existieren alle noch, werden aber für andere Zwecke genutzt. Das Bettenhaus nennt sich heute "Ferienhof Haus am Wald".
Ich fahre heutzutage hin und wieder privat von Berlin nach Meura, um alte Erinnerungen wieder aufleben zu lassen.
Vielleicht gibt es ja hier im Forum Leute, die auch in Meura zur Kur waren und sich noch an einiges erinnern können. Womöglich hat ja meine Geschichte beim einen oder anderen Leser wieder Erinnerungen geweckt.
Erinnerungen, Erlebnisse, Geschichten und Anekdoten etc... sind hier jederzeit willkommen!
Ganz liebe Grüße sendet Ricardo.
in den 80er Jahren war ich insgesamt acht Mal zur Erholungskur in einem Kinder-Erholungsheim in Meura (Thüringen). Und nun suche ich Leute, die auch dort waren und mit denen ich Erinnerungen austauschen kann.
Vielleicht ist ja hier im Forum jemand dabei, der/die dieses Kinderkurheim auch kennt...
Ich selbst habe wunderschöne Erinnerungen an diese Zeit:
Eine Kur in Meura dauerte immer vier Wochen. Es kamen aber nicht nur Kinder aus Berlin, sondern auch aus anderen großen Städten der DDR. Für Berliner Kinder (also auch für mich) ging die Reise immer von Berlin-Lichtenberg los, genauer gesagt von der Parkaue Ecke Deutschmeisterstraße.
Dort warteten immer viele Eltern mit Ihren Kindern. Es kamen dann zwei Ikarus-Reisebusse mit jeweils zwei Frauen, die die Kinder während der siebenstündigen Fahrt nach Meura betreuten.
Ja, das dauerte wirklich so lange, weil Busse damals nicht so schnell fahren durften.
Außerdem wurden während der Reise mehrere Pausen eingelegt.
Die Busfahrer luden die Koffer ein. Und damit es beim Einsteigen kein Gedrängel und Geschubse gab, wurden alle Kinder anhand einer Namensliste aufgerufen. Und welcher Name gesagt wurde, der- oder diejenige durfte dann einsteigen und sich einen Platz suchen. So wurde es im Bus immer gehandhabt. Auch dann, wenn wir in Meura ausgestiegen sind, sowie beim Ein- und Ausstieg auf der Heimfahrt. Außerdem bekam jeder vor der Abfahrt eine Reisetablette.
Zum Heim gehörten vier Häuser, soweit ich mich erinnern kann: Das Bettenhaus am Meuraberg, unten an der Straße das weiß-rote Haus, in dem die Heim-Krankenschwester Elfriede wohnte.
Weiter unten war das Haus, in dem es Mittagessen und Abendbrot gab. Und am Berghang gab es noch ein Haus, in dem die Reinemachefrau wohnte.
Als wir in Meura ankamen, wurden wir von den Erzieherinnen (deren Namen ich übrigens auch noch kenne) begrüßt. Dann wurde die ganze Kinderschah in drei Gruppen aufgeteilt:
Die Kleinsten (Kindergarten bis Vorschule) bildeten die Gruppe "Freundschaft", die etwas größeren und älteren kamen zur Gruppe "Pionier" und die ältesten Kinder gehörten der Gruppe "Aufbau" an.
Nach der Begrüßung saßen alle Kinder zusammen in der obersten Etage des Bettenhauses und es wurden die Benimmregeln genau erklärt. Dann wurden uns die Zimmer gezeigt. In den Schlafräumen wurden dann die Koffer ausgepackt und dann stellten wir diese in den Dachspeicher des Hauses.
Und wenn wir nach einiger Zeit schmutzige Wäsche hatten, kam diese immer in unsere Koffer, die die ganze Zeit auf dem Dachspeicher blieben. Und jedes Mal, wenn wir Sachen ein- oder auspackten, hielt die Erzieherin etwas davon in der Hand und fragte wörtlich: "Ricardo, ist das Dir?" Darüber musste ich immer etwas schmunzeln, denn diese thüringische Ausdrucksweise hatte ich vorher noch nie gehört. Aber ich wusste, wie das gemeint war: "Ricardo, gehört das dir?"
Wie der weitere Tagesablauf war, weiß ich leider nicht mehr. Abends hieß es dann Abendbrot essen, waschen und dann war um 19:00 Uhr Nachtruhe. Und jede Nacht war eine andere Erzieherin im Haus, die uns bewachte und mit einer Taschenlampe in die Zimmer leuchtete. Und jedes Mal, wenn noch jemand schwatzte oder Faxen machte, kam die Erzieherin rein und ermahnte diejenigen.
Einmal merkten zwei Kinder beim Schwatzen, dass die Erzieherin im Anmarsch war. Dann warnte einer: "Achtung! Sie kommt! Sie kommt!" Und schon stand die Erzieherin in der Tür, leuchtete wieder mit ihrer Taschenlampe ins Zimmer und meinte: "Sie kommt nicht erst, sie ist schon da!" Dann war alles Mux-Mäuschen-still.
Die nächsten Tage verliefen dann bis zum Ende des Kuraufenthaltes gleich:
Früh um 7:00 Uhr hieß es aufstehen. Dann mussten wir uns alle unter Anleitung einer Erzieherin "trockenbürsten". Das heißt: Wir mussten uns ausziehen und jeder musste sich dann selbst abbürsten. Es wurde uns gesagt, dass dies für die Durchblutung gut ist. Dann trafen wir uns alle in Schlafanzügen in der obersten Etage des Hauses und es war Morgengymnastik mit Schwester Elfriede angesagt. Dann hieß es: Waschen, anziehen und ab zum ersten Frühstück. Das Frühstück gab es immer im Bettenhaus. Es bestand unter Anderem aus einem ganz gesunden Müsli.
Rezept: - 2 gehäufte Esslöffel Haferflocken (am besten vorher einweichen in 6 EL Wasser),
klein geschnittenes Obst nach Wahl, süßen mit Honig oder Zucker, Weizenkeime, geriebene Nüsse, Kokosraspel, Milch. Wenn wir einen Tag zuvor bei einer Wanderung Beeren gepflückt hatten, waren diese am nächsten Tag in das Müsli gemixt worden. Desweiteren gab es Zitronentee und belegte Brote.
Dann folgte die erste Wanderung. Wir liefen durch das Waldgebiet in der Nähe des Heimes.
Danach ging es wieder zurück ins Bettenhaus, wo bereits das zweite Frühstück auf uns wartete:
Soweit ich mich erinnern kann, gab es dann immer Äpfel und Knäckebrot, da kann ich mich aber auch irren!
Dann eine zweite Wanderung durch den Ort, danach Mittagessen im unteren Haus.
Mindestens einmal die Woche bekamen wir dann alle Post von unseren Eltern aus Berlin. Darüber freute sich jedes Kind. Die Karten wurden dann immer von der Erzieherin vorgelesen. Und wir schrieben dann auch Karten aus Meura zurück an unsere Eltern: "Liebe Eltern! Mir geht es gut! Wie geht es Euch" usw...
Einmal ist mir vor dem Essen etwas ganz Kurioses passiert: Ich musste vor dem Essen dringend auf die Toilette. Und bei den Toiletten im Kurheim waren die Wasserkästen oben und mann musste an einer Strippe ziehen, um zu spülen. Als ich mich wieder angezogen hatte und an der Strippe zog, löste sich das Spülrohr vom Wasserkasten. Das ganze Wasser plätscherte mir auf meinen rechten Arm und floss über den Boden unter der toilettentür durch in den Raum zu den Waschbecken. Ich hörte, wie einige Kinder sich erschraken: "Guck mal, da unten kommt Wasser raus..." Ich meldete das Missgeschick sofort einer Erzieherin und die Toilette wurde repariert.
Nach dem Essen hieß es: Wieder zurück ins Schlafhaus, Zähne putzen, mit Sohle-Wasser (Wasser mit Emser-Salz) gurgeln und dann ab ins Bett zur Mittagsruhe.
Dann war "Vesper" angesagt, also Nachmittags-Mahlzeit. Was es da zu essen gab, weiß ich nicht mehr. Aber es gab immer Milch in Glasflaschen mit Papierdeckel. Und zwar jedes Mal eine andere Sorte: Mal Fruchtmilch, mal Vanillemilch und mal Kakaomilch.
Und auch hier kann ich mich auch noch an eine Anekdote erinnern: Es gab im Kurheim eine Erzieherin, die wir alle nicht besonders mochten, weil sie sehr streng war und immer einen bösartigen Ton an den Tag legte. Manchmal sprach sie die Kinder nur mit Nachnamen an.
Nun hatte diese Erzieherin uns an einem Tag während der Vesperzeit beaufsichtigt.
Und die Milch, die wir bekamen, ist schlecht geworden und schmeckte sauer. Das sagten wir der Erzieherin auch, aber die stritt es vehement ab und war fest der Meinung, dass das nicht stimmte. Denn die Milch in ihrer Flasche war noch gut. Nach einigen Minuten Diskussion probierte sie bei einem Kurkind und musste feststellen, dass es tatsächlich stimmte...
Aber nun wieder zurück zu den schönen Erinnerungen: Manchmal machten wir auch eine Kutschfahrt ("Kremserfahrt"). Denn in Meura steht das größte Haflingergestüt Europas. Vom Gestüt kam dann der Kutscher mit einer großen Kutsche und zwei Haflingern. Das war auch immer ein sehr schönes Erlebnis. Wir sind dann bis runter zum Schlagebach gefahren und wieder zurück.
Während der Kur haben wir auch Wanderungen zu den "Meurasteinen" unternommen. Dort war es ziemlich steil und wir mussten sehr aufpassen. Auf einem Felsen der Meurasteine stand eine Schutzhütte. Dort machten wir Rast und die Erzieherin erzählte uns die "Fribbchen-Sage":
Die "Fribbchen" sollen kleine Zwerge gewesen sein, die graue Gewänder und hohe Kapuzen trugen.
Laut der Sage haben sie vor sehr vielen Jahren in den Meurasteinen gelebt und sind als Korbmacher sehr fleißig gewesen...
Einmal pro Kur gab es auch die Möglichkeit, bei den Erziehern Andenken zu kaufen. Was das genau für Sachen waren, daran kann ich mich leider nicht mehr erinnern. Aber kleine Souvenirs halt, als Andenken an die Kur in Meura.
Abends nach dem Abendbrot ging es wieder rauf ins Bettenhaus. Dort trafen wir uns vor dem Schlafengehen im Gruppenraum zur "Auswertung": Das Benehmen eines jeden Kurkindes wurde ausgewertet und in eine Liste mit Namen eingetragen. Wenn Kinder undiszipliniert waren, wurden sie darauf angesprochen, der "Gruppenrat" und die anderen Kinder wurden gefragt, es gab eine Eintragung und derjenige, den es betraf, schämte sich dann.
In unseren Zimmern hing für jedes Kurkind ein A5-Blatt mit seinem Namen und jeweils vier untereinanderliegenden Spalten, für jede Woche eine. In diese Spalten wurde nach jeder Woche ein Papier-Dreieck eingeklebt, welches ein Pionierhalstuch darstellte. Rote Halstücher standen fürh SEHR vorbildliches Betragen, blaue für normales bis schlechtes Benehmen.
Manchmal, wenn schlechtes Wetter war, hörten wir oben im Gruppenraum Kinder-Schallplatten.
Meine Lieblingsplatte war immer "Ferdinands Zauberhäuschen". Auch wurde einmal pro Kur ein Puppenspiel aufgeführt: Der Puppenspieler baute seine Bühne "Frechdachs" auf, spielte uns Geschichten vom Kasperle vor, hatte dann auch immer sein freches "Schnattchen" dabei, dass dann z. B. den Kindern eine Ohrfeige verpasste und sich danach schämte. Und dann waren da noch die beiden Mäuse "Singeschön" und "Springeschön"...
Sehr schön begannen auch immer die Sonntage: Da gab es im unteren Haus auch immer Frühstück, was sonst nur im Bettenhaus der Fall war. Sonntags stand bei uns im Gruppenraum auf den Tischen rotes Plastikgeschirr und es gab heißen Kakao. Nach der sonntäglichen Mittagsruhe schauten wir immer Kinderfernsehen: Die "Flimmerstunde" mit "Professor Doktor Flimmrich". Der erste Fernseher, den ich dort kannte, war ein Farbfernseher vom Typ Raduga 706. Es war ein Fernseher mit einem sehr schönen dunklen Holzgehäuse. Später muss er dann wohl defekt gewesen sein, jedenfalls wurde er dann durch einen neueren, grauen RFT Colotron 4000 ausgetauscht.
Nun ist mir noch etwas eingefallen: Im Waschraum hatten wir einmal pro Kur für jedes Kind jeweils zwei Plastikschüsseln für die Füße: Eine gelbe mit warmem und eine orangene mit kaltem Wasser. Oder war es umgekehrt? Jedenfalls mussten wir dann unsere Füße lange im warmen Wasser haben, dann kurz ins kalte wechseln und wieder zurück ins warme... Auch dies sollte wohl gut sein für die Blutzirkulation. Auch haben wir mehrmals in der Woche geduscht. Ganz lange unter warmem Wasser, dann zum Schluss ganz kurz unter die kalte Dusche. Die wunderschönen gelb gefliesten Waschräume habe ich heute noch vor Augen.
Jedes Kurkind bekam eine sogenannte "Gesundheitsfibel", auf deren Vorderseite das Kurheim in schwarzweiß abgebildet war. In dieser Fibel erklärte Kundi, das "Gesundheitsmännchen", wie man seinen Körper vorbildlich und korrekt pflegt (z.B., dass man nach dem Zähneputzen keinen Betthupfer mehr zu sich nehmen sollte, dass zu viel Süßes ungesund ist etc...). Die Comicfigur "Kundi" war bis Anfang der 90er Jahre das Maskottchen des Dresdner Hygienemuseums. Das Männchen mit der blauen Mütze mit dem gelbem Bommel sehe ich heute noch genau vor mir.
Tja, und nach vier Wochen hieß es dann Abschied nehmen: Auf zur Heimfahrt nach Berlin.
Einen Tag vorher hieß es Koffer packen. Und wieder amüsierte ich mich, wenn ich gefragt wurde: "Ricardo, ist das Dir?". Die fertig gepackten Koffer standen dann über Nacht aufgestapelt im Treppenhaus auf der jeweiligen Etage.
Am nächsten Tag bekamen wir vor dem Frühstück jeweils eine Reisetablette, sowie auch bei der Hinreise. Das waren so ganz kleine, runde, graue Tabletten. Dann wurden wir von den Erziehern gefragt, wie die Kur uns gefallen hat. Dann nahmen wir Abschied, stiegen in die Busse, die Koffer wurden unten eingeladen, die Busse fuhren los und die Erzieher winkten uns hinterher.
Und an eine Heimfahrt kann ich mich noch sehr gut erinnern, weil da folgendes passierte:
Wie erwähnt, waren wir ja immer mit zwei Bussen unterwegs. Und auf den Reisen hin und zurück machten wir, wie bereits erwähnt, mehrere Pausen. Und während der ersten Pause stellte sich heraus, dass der vordere Bus, in dem die Gruppe "Aufbau" saß, plötzlich eine Panne hatte. Was da genau kaputt war, weiß ich leider nicht. Jedenfalls musste die ganze Gruppe samt Gepäck aus dem Bus aussteigen und unser Bus war dann proppevoll. Da im Gepäckraum kein Platz mehr war, mussten die ganzen Koffer aus dem kaputten Bus zu uns hinten in den Fahrgastraum. So fuhren wir dann alle mit einem Bus nach Berlin, der andere musste zurück fahren.
Wenn wir dann nach Berlin reinkamen, wurden im Bus fröhliche Lieder gesungen. Bei einer Heimfahrt (ich weiß nicht mehr, ob es die selbe war) sang ich mit ganz tiefer Brumm-Stimme das Lied "Häns'chen klein" mit und die Betreuerinnen fragten verwundert, wer hier so eine tiefe Stimme hat.
Ich hatte nämlich einige Zeit zuvor eines Abends im Waschraum in Meura plötzlich einen Stimmbruch bekommen. Als ich meine Mutti bei der Ankunft in Lichtenberg mit einem brummigen "Hallo, hier bin ich" begrüßte, bekam diese erst einmal einen Schreck...
Von unseren Eltern wurden wir dann auch wieder in Lichtenberg in Empfang genommen.
Der Unterschied war nur, dass wir bei den Heimfahrten nicht zur Parkaue Ecke Deutschmeisterstraße fuhren (wo unsere Eltern uns verabschiedeten), sondern immer zum Bahnhof Lichtenberg.
Dort konnten wir unsere Eltern wieder in die Arme schließen und jeder hatte dann zuhause sicher eine Menge zu erzählen...
Nach der politischen "Wende" ist das Kurheim leider abgewickelt worden. Die Häuser existieren alle noch, werden aber für andere Zwecke genutzt. Das Bettenhaus nennt sich heute "Ferienhof Haus am Wald".
Ich fahre heutzutage hin und wieder privat von Berlin nach Meura, um alte Erinnerungen wieder aufleben zu lassen.
Vielleicht gibt es ja hier im Forum Leute, die auch in Meura zur Kur waren und sich noch an einiges erinnern können. Womöglich hat ja meine Geschichte beim einen oder anderen Leser wieder Erinnerungen geweckt.
Erinnerungen, Erlebnisse, Geschichten und Anekdoten etc... sind hier jederzeit willkommen!
Ganz liebe Grüße sendet Ricardo.