Danke, Rumpelpumpel, dir auch
Zum Thema Wortwahl beim Ratgeben:
Ich arbeite mit einer Klientel, die nahezu immun gegen Rat ist, wenn er "falsch" formuliert wird. Meine Patienten sind allesamt Drogen-, Alkohol- und/oder Medikamentenabhängig und viele von ihnen bewegen sich schon seit langer Zeit in Umfeldern, in denen andere "es besser wissen" und meinen, ihnen erzählen zu können, wie man "ein gutes Leben" führt. Sie haben gelernt, damit umzugehen, meist, indem sie "dicht machen", was ich auch durchaus nachvollziehbar finde - die Grenzen zwischen Ratgeben und Bevormunden sind fließend.
Als Ratgeber muss ich
wirklich und ehrlich offen sein für mögliche Ablehnung meines Rates. Es darf nur ein Vorschlag sein, ob er angenommen wird, ist allein Sache des Empfängers. Viele Wege führen nach Rom und meiner ist nur einer von vielen möglichen (und mir ist auch bewusst, dass es nicht zwangsläufig der beste Weg ist, bloß, weil
ich ihn vorschlage!). Etwas anderes anzunehmen wäre schlichtweg arrogant und anmaßend.
Eine Wortwahl wie "ich würde", "ich hätte" usw. kommt bei meinen Patienten überhaupt nicht an, zumal diese Aussagen auch oft gar nicht stimmen. Wir wissen häufig gar nicht, was wir
wirklich tun würden oder getan hätten, weil wir uns selbst nicht unbedingt schon mal in genau der Lebenssituation des Ratsuchenden befunden haben und/oder einen komplett anderen Hintergrund/Charakter usw. haben als dieser.
Ganz plattes Beispiel: "Ich würde keine Drogen mehr nehmen." Ist das so? Woher will ich das wissen? Ich war noch nie drogensüchtig. Ich hatte keine desolate Kindheit, habe nicht die Erinnerungen an Gewalt, Demütigung und Tod wie meine Patienten. Ich bin nicht perspektivlos, ich habe einen guten Schul- und Ausbildungsabschluss, einen festen Job, eine Familie, die mir den Rücken stärkt, (abstinente) Freunde usw. Ich weiß nicht, was ich
an Stelle des Patienten tun würde, ich kann nur versuchen, mich in seine Lage zu versetzen und seine Situation nachzuempfinden und auf dieser Basis verknüpft mit meinen Erfahrungen aus einigen Jahren Suchthilfe mit dem Patienten sprechen und versuchen, gemeinsam mit ihm einen möglichen Weg zu finden.
"Ich würde", "ich hätte" und ähnliches versuche ich daher tunlichst zu vermeiden. Alternative Formulierungen können sein (besonders Fragen bieten sich an):
"Ein ehemaliger Patient hat mir mal erzählt, dass ihm xy geholfen hat. Können Sie sich vorstellen, das mal zu probieren?"
"Wie wäre es, xy zu tun?"/"Können Sie sich vorstellen, xy zu tun?"
"Ich kann mir vorstellen, dass es Ihnen helfen könnte, xy zu tun. Was meinen Sie?"
"Nach dem, was Sie mir geschildert haben, könnte xy eine Möglichkeit sein."
"Ich denke gerade über Weg xy nach. Was denken Sie - ist das eine Möglichkeit für Sie?"
usw...usf... nur als kleiner Auszug.
In der therapeutischen Arbeit lernt man, Vorschläge nur anzubieten und zu akzeptieren, wenn sie abgelehnt werden. Oft brauchen neue Wege auch Zeit, um gegangen zu werden, mit vielen Umwegen, Abzweigungen und auch Rückschritten. Das ist okay - jeder soll
seinen Weg finden und diese Wege können und dürfen(!) ganz unterschiedlich aussehen.
So, nun aber Schluss mit meinem kleinen Exkurs
Ich wünsche allen einen schönen Tag, ich muss nun zur Arbeit und das gerade Beschriebene anwenden
Viele Grüße!
LaVie