Der Glöckner
(Paulo Coelho)
In der Kirche eines kleinen Ortes im Landesinneren Brasiliens wohnte ein einfacher, ungebildeter Mann, dessen Arbeit darin bestand, zu den vom Pfarrer vorgegebenen Zeiten die Kirchenglocken zu läuten.
Dann befand der für die Region zuständige Bischof plötzlich, alle ihm unterstellten Gemeindeangestellten müssten mindestens einen Grundschulabschluss haben.
Er glaubte, so die Menschen zum Schulbesuch bewegen zu können. Doch für den Glöckner, der schon zu alt war, um noch einmal die Schulbank zu drücken, bedeutete dies das Ende seiner Arbeit.
Er erhielt eine kleine Entschädigung, die üblichen Dankesworte. Als er nach seiner Verabschiedung eine Zigarette rauchen wollte, stellte er fest, dass seine Packung leer war. Er bat seine dort anwesenden Freunde, ihm eine Zigarette zu schenken, aber deren Päckchen waren ebenfalls leer. Es blieb ihnen nichts anderes übrig, als sich in die nahe gelegene kleine Stadt zu begeben, um Tabak zu kaufen.
„Du hast jetzt viel Zeit“, sagte einer seiner Freunde. „Du könntest für uns alle Zigaretten kaufen, und wir zahlen dir eine kleine Kommission.“
Der ehemalige Glöckner begab sich nun regelmäßig in die Stadt, um Tabak zu kaufen.
Dabei stellte er bald fest, dass auch viele andere Dinge in seinem kleinen Ort fehlten. Also brachte er auch Feuerzeuge und Zeitungen mit. Schließlich nahmen die Bestellungen derart überhand, dass er einen kleinen Laden aufmachte.
Da er ein guter Mann war, dem daran gelegen war, seine Kunden zufrieden zu stellen, blühte und gedieh der Laden. Er weitete seine Geschäfte aus und wurde am Ende zu einem der angesehensten Unternehmer der Region.
Aber es ging viel Geld durch seine Hände, und eines Tages war es unumgänglich, ein Bankkonto zu eröffnen. Der Geschäftsführer der Bank empfing ihn mit offenen Armen. Der alte Mann übergab ihm einen Beutel mit großen Banknoten, das Antragsformular wurde ausgefüllt, dann bat man ihn, zu unterzeichnen. „Tut mir leid“, sagte er. „ich kann nicht schreiben.“
Der Geschäftsführer war verblüfft. „Das heißt, Sie haben all das geschafft, obwohl Sie Analphabet sind?.
„Ich habe es geschafft, weil ich mich bemüht und eingesetzt habe.“
„Meinen Glückwunsch! Und all das, ohne eine Schule besucht zu haben. Stellen Sie sich einmal vor, was aus Ihnen geworden wäre, wenn Sie in die Schule gegangen wären!“.
Der Alte lächelte.
„Das kann ich mir sehr wohl vorstellen. Wäre ich zur Schule gegangen, würde ich noch immer die Glocken der Kirche in meinem Dorf läuten.“
(Paulo Coelho)
In der Kirche eines kleinen Ortes im Landesinneren Brasiliens wohnte ein einfacher, ungebildeter Mann, dessen Arbeit darin bestand, zu den vom Pfarrer vorgegebenen Zeiten die Kirchenglocken zu läuten.
Dann befand der für die Region zuständige Bischof plötzlich, alle ihm unterstellten Gemeindeangestellten müssten mindestens einen Grundschulabschluss haben.
Er glaubte, so die Menschen zum Schulbesuch bewegen zu können. Doch für den Glöckner, der schon zu alt war, um noch einmal die Schulbank zu drücken, bedeutete dies das Ende seiner Arbeit.
Er erhielt eine kleine Entschädigung, die üblichen Dankesworte. Als er nach seiner Verabschiedung eine Zigarette rauchen wollte, stellte er fest, dass seine Packung leer war. Er bat seine dort anwesenden Freunde, ihm eine Zigarette zu schenken, aber deren Päckchen waren ebenfalls leer. Es blieb ihnen nichts anderes übrig, als sich in die nahe gelegene kleine Stadt zu begeben, um Tabak zu kaufen.
„Du hast jetzt viel Zeit“, sagte einer seiner Freunde. „Du könntest für uns alle Zigaretten kaufen, und wir zahlen dir eine kleine Kommission.“
Der ehemalige Glöckner begab sich nun regelmäßig in die Stadt, um Tabak zu kaufen.
Dabei stellte er bald fest, dass auch viele andere Dinge in seinem kleinen Ort fehlten. Also brachte er auch Feuerzeuge und Zeitungen mit. Schließlich nahmen die Bestellungen derart überhand, dass er einen kleinen Laden aufmachte.
Da er ein guter Mann war, dem daran gelegen war, seine Kunden zufrieden zu stellen, blühte und gedieh der Laden. Er weitete seine Geschäfte aus und wurde am Ende zu einem der angesehensten Unternehmer der Region.
Aber es ging viel Geld durch seine Hände, und eines Tages war es unumgänglich, ein Bankkonto zu eröffnen. Der Geschäftsführer der Bank empfing ihn mit offenen Armen. Der alte Mann übergab ihm einen Beutel mit großen Banknoten, das Antragsformular wurde ausgefüllt, dann bat man ihn, zu unterzeichnen. „Tut mir leid“, sagte er. „ich kann nicht schreiben.“
Der Geschäftsführer war verblüfft. „Das heißt, Sie haben all das geschafft, obwohl Sie Analphabet sind?.
„Ich habe es geschafft, weil ich mich bemüht und eingesetzt habe.“
„Meinen Glückwunsch! Und all das, ohne eine Schule besucht zu haben. Stellen Sie sich einmal vor, was aus Ihnen geworden wäre, wenn Sie in die Schule gegangen wären!“.
Der Alte lächelte.
„Das kann ich mir sehr wohl vorstellen. Wäre ich zur Schule gegangen, würde ich noch immer die Glocken der Kirche in meinem Dorf läuten.“