Freitag, Maybachufer, Berlin. Der türkische Markt. Ich komme immer hierher, wenn ich keine Ahnung habe, was es am Wochenende geben soll. Irgendwas lacht mich immer an: Eine Ecke Schafskäse, ein Lachskopf, zarte Mangoldblätter...
In diesem „Little Ankara“ hat man als Single Schwierigkeiten
Die Händler verkaufen bevorzugt große Mengen: Joghurt im Einkilo-Bechern, 10 Zitronen kosten 60 ct (das Stück 20), der Bund Petersilie, so groß wie ein Brautstrauß, ist nicht in kleinerem Dosis zu haben.
Ich denke, das hat eine soziale Ursache. Verschleierte Frauen, die sonst keinen Ausgang bekommen, kaufen überglücklich hier ein. Die Riesenmengen von einer Ware werden erst zu Hause, in der Gemeinschaft verteilt: Aisha hat zuviel Paprikaschoten günstig erworben, Üzgül dafür drei Kilo Tomaten überflüssig. Frau huscht hernach schnell zur Nachbarin zum Tauschen rüber; das fördert die Kommunikation - und den Zusammenhalt.
Hähnchenschenkel, ein Kilo ein Euro. Ich verlange exakt drei Stück. Und weil mir eine gute Sauce im Kopf schwebt, auch noch drei Flügelchen dazu (noch billiger..) Der Mann schaut mich mitleidig an, wirft je ein Stück in die Tüte hinterher, nur so. Entweder habe ich keine Familie, oder kein Geld, oder beides, denkt er. Was soll ich sagen, er hat Recht...
(IMG:https://www.weingartner-foto.at/katalog/thumb/007141.JPG)
Ein Bund Suppengemüse noch, 2 Petersilienwurzel extra dazu
Eine Handvoll Egerlinge. Seit dem Besuch eines Freundes, der sich als Biergenießer erwiesen hat, hab ich noch eine Flasche Bordeaux zuhause stehen...
Für Coq au vin wurden in vielen Foren bereits die haarsträubendsten Rezepte gepostet. Man empfiehlt Mehl in die Soße, man lässt das Gemüse leichterhand weg. Andere wollen es als das Non-Plus-Ultra der Vornehmen Küche darstellen. Es ist und bleibt aber nicht anderes, als ein rustikaler Hähnchen-Schmorbraten im Wein; genauso, wie es die Frau Bäuerin in Südfrankreich macht.
Hähnchen im Wein
Zuerst : Gemüse schnipseln. Die Hälfte schneide ich in Würfeln, die andere Hälfte in „Julienne“, in jene streichholzdünne Stifte, die für die französischen und die asiatischen Küche typisch sind.
Das verlangt natürlich ein scharfes Messer, in professioneller Qualität
Die Fleischstücke anbraten. (Bitte- bitte, nie im „Olivenöl extra vergine“! In den asiatischen Läden findest du noch ganz normales, raffiniertes Olivenöl.) Wenn sie rundherum goldbraun sind, herausnehmen, in dem Bräter die Gemüsewürfeln, so gut es geht, anbraten. Nichts davon braun werden lassen! Überflüssiges Öl abgießen, mit einer ½ Flasche Rotwein ablöschen, Bratansatz aufkratzen.
Den Ofen vorheizen. Die Fleischstücke im Bräter über das Gemüse platzieren. 2 frische Thymianzweigchen danebenlegen, 6 Schalotten, 2 zerdrückte Knoblauchzehen, 2 Lorbeerblätter, reichlich die geschroteten Pfefferkörner. Nur das pure Fleisch von 2 Tomaten (ohne Kerne und Haut), 1 Handvoll milde Oliven, und die Hälfte von den braunen Champions. Eher leicht salzen, mit Wasser auffüllen, bis die Schenkel beinah bedeckt sind.
Ab in den Backofen
Man möchte den Sud jetzt schon am liebsten löffelweise aufessen...
...so herrlich schmeckt er - nix da! Es kommt die hohe Kunst eines Hausmanns, einer Hobbyköchin: Eine Sauce kochen. Fachausdruck montieren. Das werden wir genauso machen, wie die legendären Köche der Welt: Mit einem flachen Schneebesen in der einen Hand und mit einem Holzspachtel in der anderen.
Den Sud stark einkochen. (Auf größter Hitze brodelnd kochen lassen, bis es nur 3- 400 ml übrig sind) Abschmecken mit einem Schuss tr. Sherry, frischgemahlenem schw. Pfeffer, Nelken, etwas Tomatenmark, 1 EL Olivenöl extra vergine.
(IMG:https://www.helsenyt.com/items/art-chilliroed.jpg)
Eine Messerspitze Chili im Mörser pulverisiert, vielleicht
Genaue Angaben sind da nicht möglich, aber auch nicht nötig. Improvisationsfähigkeit, sicherer Geschmack und Mut sind gefragt. Kochen ist Kunst... Wenn die Sauce nun kräftig und deutlich säuerlich schmeckt, ist unser Werk fertig. Es ist nicht gedacht, um zermanschte Kartoffeln darin zu ertränken, sondern um das Fleisch zu veredeln.
Als Finale kann man noch ein Paar eisgekühlte Butterflocken unterziehen. Bei mit war’s nicht nötig, die mitgekochten Hähnchenflügeln machten die Sauce herrlich sämig. Wenn du im Saucenkochen geübt bist, kannst du die Julienne in den letzten Minuten mitkochen. Ansonsten: Pochieren. (für 2 Minuten in brodelndes Wasser werfen, abschließend im Eiswasser abschrecken)
(IMG:https://perso.wanadoo.fr/miely/images_site/coq-au-vin.jpg)
Als Beilage empfehle ich bissfest gekochte Bandnudeln
Oder kleine, neue Kartoffeln mit glatter Petersilie. Oder Polenta. Oder Semmelknödeln. Oder Baguette. Oder ...
Einkaufszettel / Mengenangaben für 3- 4 Personen
- 800g Hähnchen oder deren Teile
- 100g braune Champion (Egerlinge)
- 1 Bd. Suppengrün, 2 Petersilienwurzeln extra
- 2 Fleischtomaten, gepellt und entkernt, in Stücken
- 6 Schalotten
- 2 Zweigchen Thymian
- 2- 4 Knoblauchzehen
- 150 g milde Oliven
- 1- 2 EL Tomatenmark
- Olivenöl zum Braten, Olivenöl zum würzen
- 400 ml kräftiger Rotwein, trocken
- 2 Lorbeerblätter, 4 Nelken
- 20 schw. Pfefferkörner, im Mörser grob zerstoßen, Salz
- Zitronensaft, Honig, tr. Sherry um die Sauce auszubalancieren
Gutes Gelingen brauche ich nicht zu wünschen, denn es kann prinzipiell nix schiefgehn :D
Buck
Bearbeitet von BuckwheatPancake am 02.04.2005 15:03:22
In diesem „Little Ankara“ hat man als Single Schwierigkeiten
Die Händler verkaufen bevorzugt große Mengen: Joghurt im Einkilo-Bechern, 10 Zitronen kosten 60 ct (das Stück 20), der Bund Petersilie, so groß wie ein Brautstrauß, ist nicht in kleinerem Dosis zu haben.
Ich denke, das hat eine soziale Ursache. Verschleierte Frauen, die sonst keinen Ausgang bekommen, kaufen überglücklich hier ein. Die Riesenmengen von einer Ware werden erst zu Hause, in der Gemeinschaft verteilt: Aisha hat zuviel Paprikaschoten günstig erworben, Üzgül dafür drei Kilo Tomaten überflüssig. Frau huscht hernach schnell zur Nachbarin zum Tauschen rüber; das fördert die Kommunikation - und den Zusammenhalt.
Hähnchenschenkel, ein Kilo ein Euro. Ich verlange exakt drei Stück. Und weil mir eine gute Sauce im Kopf schwebt, auch noch drei Flügelchen dazu (noch billiger..) Der Mann schaut mich mitleidig an, wirft je ein Stück in die Tüte hinterher, nur so. Entweder habe ich keine Familie, oder kein Geld, oder beides, denkt er. Was soll ich sagen, er hat Recht...
(IMG:https://www.weingartner-foto.at/katalog/thumb/007141.JPG)
Ein Bund Suppengemüse noch, 2 Petersilienwurzel extra dazu
Eine Handvoll Egerlinge. Seit dem Besuch eines Freundes, der sich als Biergenießer erwiesen hat, hab ich noch eine Flasche Bordeaux zuhause stehen...
Für Coq au vin wurden in vielen Foren bereits die haarsträubendsten Rezepte gepostet. Man empfiehlt Mehl in die Soße, man lässt das Gemüse leichterhand weg. Andere wollen es als das Non-Plus-Ultra der Vornehmen Küche darstellen. Es ist und bleibt aber nicht anderes, als ein rustikaler Hähnchen-Schmorbraten im Wein; genauso, wie es die Frau Bäuerin in Südfrankreich macht.
Hähnchen im Wein
Zuerst : Gemüse schnipseln. Die Hälfte schneide ich in Würfeln, die andere Hälfte in „Julienne“, in jene streichholzdünne Stifte, die für die französischen und die asiatischen Küche typisch sind.
Das verlangt natürlich ein scharfes Messer, in professioneller Qualität
Die Fleischstücke anbraten. (Bitte- bitte, nie im „Olivenöl extra vergine“! In den asiatischen Läden findest du noch ganz normales, raffiniertes Olivenöl.) Wenn sie rundherum goldbraun sind, herausnehmen, in dem Bräter die Gemüsewürfeln, so gut es geht, anbraten. Nichts davon braun werden lassen! Überflüssiges Öl abgießen, mit einer ½ Flasche Rotwein ablöschen, Bratansatz aufkratzen.
Den Ofen vorheizen. Die Fleischstücke im Bräter über das Gemüse platzieren. 2 frische Thymianzweigchen danebenlegen, 6 Schalotten, 2 zerdrückte Knoblauchzehen, 2 Lorbeerblätter, reichlich die geschroteten Pfefferkörner. Nur das pure Fleisch von 2 Tomaten (ohne Kerne und Haut), 1 Handvoll milde Oliven, und die Hälfte von den braunen Champions. Eher leicht salzen, mit Wasser auffüllen, bis die Schenkel beinah bedeckt sind.
Ab in den Backofen
Man möchte den Sud jetzt schon am liebsten löffelweise aufessen...
...so herrlich schmeckt er - nix da! Es kommt die hohe Kunst eines Hausmanns, einer Hobbyköchin: Eine Sauce kochen. Fachausdruck montieren. Das werden wir genauso machen, wie die legendären Köche der Welt: Mit einem flachen Schneebesen in der einen Hand und mit einem Holzspachtel in der anderen.
Den Sud stark einkochen. (Auf größter Hitze brodelnd kochen lassen, bis es nur 3- 400 ml übrig sind) Abschmecken mit einem Schuss tr. Sherry, frischgemahlenem schw. Pfeffer, Nelken, etwas Tomatenmark, 1 EL Olivenöl extra vergine.
(IMG:https://www.helsenyt.com/items/art-chilliroed.jpg)
Eine Messerspitze Chili im Mörser pulverisiert, vielleicht
Genaue Angaben sind da nicht möglich, aber auch nicht nötig. Improvisationsfähigkeit, sicherer Geschmack und Mut sind gefragt. Kochen ist Kunst... Wenn die Sauce nun kräftig und deutlich säuerlich schmeckt, ist unser Werk fertig. Es ist nicht gedacht, um zermanschte Kartoffeln darin zu ertränken, sondern um das Fleisch zu veredeln.
Als Finale kann man noch ein Paar eisgekühlte Butterflocken unterziehen. Bei mit war’s nicht nötig, die mitgekochten Hähnchenflügeln machten die Sauce herrlich sämig. Wenn du im Saucenkochen geübt bist, kannst du die Julienne in den letzten Minuten mitkochen. Ansonsten: Pochieren. (für 2 Minuten in brodelndes Wasser werfen, abschließend im Eiswasser abschrecken)
(IMG:https://perso.wanadoo.fr/miely/images_site/coq-au-vin.jpg)
Als Beilage empfehle ich bissfest gekochte Bandnudeln
Oder kleine, neue Kartoffeln mit glatter Petersilie. Oder Polenta. Oder Semmelknödeln. Oder Baguette. Oder ...
Einkaufszettel / Mengenangaben für 3- 4 Personen
- 800g Hähnchen oder deren Teile
- 100g braune Champion (Egerlinge)
- 1 Bd. Suppengrün, 2 Petersilienwurzeln extra
- 2 Fleischtomaten, gepellt und entkernt, in Stücken
- 6 Schalotten
- 2 Zweigchen Thymian
- 2- 4 Knoblauchzehen
- 150 g milde Oliven
- 1- 2 EL Tomatenmark
- Olivenöl zum Braten, Olivenöl zum würzen
- 400 ml kräftiger Rotwein, trocken
- 2 Lorbeerblätter, 4 Nelken
- 20 schw. Pfefferkörner, im Mörser grob zerstoßen, Salz
- Zitronensaft, Honig, tr. Sherry um die Sauce auszubalancieren
Gutes Gelingen brauche ich nicht zu wünschen, denn es kann prinzipiell nix schiefgehn :D
Buck
Bearbeitet von BuckwheatPancake am 02.04.2005 15:03:22