Bin heute morgen schon früh im Krankenhaus gewesen und hab wieder n "cooles" Beispiel für die "aufrechten, anständigen" Deutschen. :kotz: :kotz: :kotz: :labern:
Kurz zum Verständnis, meine Nichte ist vor n paar Tagen als Frühgeburt zwei Monate vorm Termin mit nem Notkaiserschnitt zur Welt gekommen, am Anfang sah derbe beschissen für beide aus.
Meine Eltern sind Juden, durch Glaube und Volkszugehörigkeit, meine Geschwister und ich nicht durch Glauben, aber durch Herkunft. Mein Bruder hat also mit der Religion selber nix an der Mütze, sein Weibchen ist konfessionslos, interessiert sich aber total fürs Judentum. Mein Neffe und meine Nichte werden mehr damit aufwachsen als wir, die immer frei entscheiden konnten.
Meine Mutter weiß das und hat nen befreundeten Rabbi gebeten, meine Schwägerin und meine Nichte zu besuchen. Meine Schwägerin ist nicht religiös, aber immer noch total neben der Spur, weil die sich natürlich Sorgen um ihre Kurze macht. Und in so ner Situation versteh ichs, wenn man sich über jede Unterstützung, jedes gute Wort freut.
Der Rabbi war heute morgen da, in voller Montur, hat mit meiner Familie gesprochen, vor allem meine Schwägerin getröstet und sich die Kurze angeguckt. Der Typ ist schon ziemlich alt und hat in seinem Leben nen Haufen Kids gesehen, die unter beschissenen Bedingungen zur Welt gekommen sind.
Meine Schwägerin hat sich auch derbe über den Besuch gefreut. Die sieht das nicht als Selbstverständlichkeit, weils über die Frage, wer geborener Jude ist, unterschiedliche Ansichten gibt.
Bei vielen Juden gilt bloß der als Jude, wer von ner jüdischen Mutter geboren wird, und das ist meine Schwägerin ja nicht. Davon mal ab ist ja auch mein Bruder nicht gläubig, was für manche Juden auch ne Geige spielt. Darum hat die sich umso mehr gefreut über den Beistand und die freundlichen Worte.
Weil beim Besuch auch gebetet wurde, haben alle männlichen Familienmitglieder ne Kippa getragen, und so sind wir auch draußen rumgelaufen, wenn wir kurz rausmussten, weil ne andere Patientin versorgt wurde oder sowas, wo keine fremden Zuschauer erwünscht sind.
N Zimmer weiter war was ähnliches, da war n Imam da, der ner muslimischen jungen Mutter nen Besuch abgestattet hat, der musste auch raus, wenn da as an anderen Patienten gemacht wurde.
Mittlerweile dürfte auch der Blödeste mitgekriegt haben, dass sich Juden und Muslime an sich nicht immer ganz so grün sind. War fast komisch, da stehen sich zwei so unterschiedliche Männer gegenüber (beide nicht grade die Jüngsten, also wohl beide aufgewachsen mit konservativen Lehren) und unterhalten sich freundlich und sprechen gute Wünsche an den anderen aus. Für meine Augen sahs so aus, als ob die sich gegenseitig segnen würden. Die durften dann wieder rein in die Zimmer.
Otto Mustermann kommt vorbei, ist ungefähr 60, hat seine Frau neben sich und bleibt stehen, der sieht die beiden noch abziehen. Ich war eigentlich schon fertig mit meinem Besuch, hab also keine Kippa mehr auf, steh wie bestellt und nicht abgeholt vorm Fenster und warte bloß noch auf meinen Vater, der war mit meiner Mutter in der Caféteria. Meine Schwägerin hat Hunger gekriegt auf Schokolade, und wenn sie schon freiwillig und mit Appetit was essen will, ist das n gutes Zeichen, weil die seit fast ner Woche derbe wenig isst vor lauter Schiss um die Kurze.
Otto Mustermann legt los: Was das Saupack hier will, vor denen hat man wohl nie Ruhe. (Da war wohl der Imam mit gemeint.) Jetzt verbünden die sich schon gegen die Deutschen, denen ist nix heilig.
Zum Rabbi hatte der zu sagen, dass der wohl in der Gaskammer vergessen worden ist. Da wär wohl n Nest, unten hat der noch nen Juden gesehen (muss mein Vater gewesen sein), was die hier wollen, das wär n deutsches Krankenhaus und da rennen sowieso schon (O-Ton Otto Mustermann) "Neger, Polacken und Reisfresser" rum, obs keine deutschen Ärzte und Krankenschwester mehr gibt. Wär Zeit, dass hier (ich nehm an, der meint Deutschland damit) mal wieder aufgeräumt wird, wär schon früher notwendig gewesen.
Hab gedacht gleich schlag ich dem die
Zähne aus. War aber nicht nötig, weil der sich ne fette Ohrfeige von seiner Frau eingefangen hat und die sich nicht mehr eingekriegt hat vor Schimpfen und und und. Die guckt sich um, als ob die gucken wollte, obs jemand gehört hat.
Ihr Kerl war sowas von den Socken, der hat sich nicht beschwert oder sowas. Ich nehm an sowas hat seine Frau noch nie gemacht. Der ist zum Klo, wahrscheinlich um die Backe zu kühlen, die war feuerrot.
Ich stand da als einziger Besucher rum, alle anderen waren Patienten, die da langsam rumliefen, außerdem gabs grade
Frühstück. Gesagt hat sie nix, aber halb gegrinst. Kann sein ihr wars derbe peinlich, dass ihr Kerl so nen Kack von sich gegeben hat.
In solchen Situation kommt der zynische Arsch in mir raus. Hab mir wieder die Kippa aufgesetzt, meinen Vater, der gefühlte 5 km von mir entfernt die Treppe raufkommt, lauter als nötig mit Shalom gegrüßt und bin wieder ins Zimmer rein. Der muss gedacht haben, ich dreh grade ab oder bin besoffen.
Ich hätte zu gerne gewusst, ob die Frau das mitgekriegt hat, ob die ihrem Kerl das gesagt hat oder sowas, hab die dann aber nicht mehr gesehen.
Hab an den Thread hier gedacht, als ich meine Eltern wieder nach Hause gebracht und mir überlegt, ob ich das hier reinstell, weils ja an sich nix mit Gewalt zu tun hat. Aber solche Reden führen zu Gewalt und Hass und resultieren aus Gewalt und Hass, nicht bloß vor 75 Jahren, sondern auch heute. Darum stehts jetzt hier drin.
Wenns nach dem gegangen wär, gäbs wieder solche Zustände. Soviel zum Thema "die armen Deutschen, was die alles ertragen müssen, die bösen Andersgläubigen und Ausländer reden ja soooooooo schlecht über die und wollen denen an den Kragen".