Zitat (Fidelio, 28.04.2012) |
Einst reichte es das Kind bis zum Mittag in einen Kindergarten zu geben, damit es Kontakt zu anderen Kindern hatte und lernte sich in eine Gemeinschaft einzugliedern. Heute schreit alles nach Kitas, wobei man schon überlegt, wann sehen Eltern ihre Kinder überhaupt noch? Morgens beim Frühstück ein paar Minuten und abends ein wenig bis sie zu Bett gehen. Die Erzieherinnen überbringen ab und zu die Meldung, dass das Kind etwas neues kann, oder dass es es ein neues Wort spricht.
Gibt es noch Eltern, die richtig erleben wie sich ihre Kinder entwickeln? Das Leben kostet, so dass das eigentliche Familienleben auf der Stecke bleibt. |
das ist mir zu einseitig. denn wie man es dreht und wendet, es bleibt immer etwas "auf der strecke", wie du es nennst.
die frau bleibt daheim, wenn sie mutter wird, solange, bis die kinder sich tagsüber selbst versorgen können. manche können das bereits mit zwölf jahren, andere schaffen es auch mit ende zwanzig noch nicht. der vater geht zur arbeit. fein, falls er so viel geld verdient, dass es für alle für ein angenehmes leben reicht, die frau das begrüßt und genügend für notfälle und ausbildungen zurückgelegt werden kann.
auch in meinem bekanntenkreis gibt es mehrere väter, die bereits vor der geburt des ersten kindes nicht mehr mit der mutter zusammeleben wollen oder sich so entwickeln, dass sie hinausgeworfen werden. von einigen kann man nur mit mühe und not den unterhalt bekommen, recht oft gibt es ärger und verspätete zahlungen. welcher mensch mit verstand kreidet es der mutter an, wenn sie auch selbst geld verdienen will?
im augenblick erlebe ich den idealfall für eltern. mein mann arbeitet vollzeit, ich teilzeit. bis meine tochter in den kindergarten geht, ist sie vormittags mit meinem sohn bei meinen schwiegereltern, meinem schwager und seiner frau oder bei einer guten freundin, die ebenfalls kinder hat. sie gehen beide gern dorthin, und diese unterstützung wird von uns erwidert, so, wie es ihnen am liebsten ist.
ich könnte auch daheim bleiben. mein mann ist ein guter geschäftsmann. wir müssten uns einschränken, würde ich nichts hinzuverdienen, jedoch würden wir nicht von trockenem brot leben müssen. wir haben uns aber dazu entschieden, unsere möglichkeiten zu nutzen. das geld liegt nicht auf der straße, man dreht sich nicht um und hat, wenn man laut gibt, sofort zehn angebote für eine neue arbeitsstelle auf dem tisch liegen, wenn die alte nicht mehr behagt. schon gar keine unbefristete.
wir wollen in der lage sein, unseren kindern eine solide ausbildung finanzieren zu können. das kostet geld. vielleicht werden sie es später selbst tun, vielleicht ist das nicht nötig. wir wollen jedoch nicht in fünfzehn jahren bedauernd zurückblicken und uns wünschen, damals anders entschieden zu haben.
es wäre anders, hätten wir dieses soziale netz nicht. es ist nicht selbstverständlich, dass großeltern sich um die enkel kümmern, während die eltern bei der arbeit sind. leben sie noch, leben sie in der nähe, sind sie verfügbar oder müssen sie selbst arbeiten, und wollen sie es überhaupt? großeltern sind moralisch nicht dazu verpflichtet, später auf ihre enkel aufzupassen. sie haben eigene interessen, die nicht plötzlich verschwinden, weil ihre kinder eltern werden. zu meiner mutter würde ich meine kinder nicht geben, eher würde ich selbst daheim bleiben.
deine sicht auf kitas ist mir ebenfalls zu starr. mir selbst ist kein kind bekannt, das dorthin gejagt werden muss, und diese kinder erleben und unternehmen auch vor und nach dieser zeit viel mit ihren kindern. natürlich bedarf es ein wenig organisation. aber ohne organisation kommt man ohnehin nicht weit. schließlich ist bereits das stellen des weckers und das pünktliche verlassen des hauses, damit man rechtzeitig bei der arbeit ist, der anfang.
die ständige anwesenheit der eltern muss nichts gutes sein. was hat ein kind davon, wenn es nur allein spielt und die eltern nur vor dem fernseher oder dem computer erlebt? oder beschäftigt mit anderen dingen, an denen das kind oder die kinder nicht teilhaben. welches ideal schwebt dir denn vor? soll niemand arbeiten gehen, der kinder hat, und dafür voll vom staat finanziert werden? oder bezieht sich deine sicht nur auf frauen, weil sie ja die kinder zur welt bringen, und es ist für dich in ordnung, ganz gleich, zu welchen zeiten der vater arbeitet? einschließlich montage, wochenendarbeit und schichtdienst.
kigas und kitas sind keine verwahranstalten, auch wenn manche eltern sie dazu nutzen. aber an schwarzen schafen allein kann man etwas nicht beurteilen. meine tochter war bereits öfter im kiga, als sie anderen kinder abgeholt hat. ihr gefällt es dort, und sie freut sich darauf. noch mehr freut sie sich jedoch auf die schule.
selbst wenn ich eine reiche erbin wäre, die für ihren lebensunterhalt keinen finger rühren müsste, würde ich meine kinder ab einem gewissen alter tagsüber stundenweise in einen kiga geben. dort lernen sie mit und von anderen kindern viel.
mein mann ist werktags beinahe immer der klassische "vor und nach der arbeit"-vater. meistens sind meine kinder noch nicht aufgestanden, wenn er zur arbeit geht, aber sie sind wach. er begrüßt sie und verabschiedet sich von ihnen, und spätnachmittags und abends gehört er erst einmal ihnen. die wochenenden werden auch intensiv genutzt. er muss sich nicht mit ratlosem blick an mich wenden und nachfragen, was unsere kinder am liebsten frühstücken oder wo ihre strumpfhosen sind. oder ob sie medikamente einnehmen müssen, wer ihr arzt ist und womit sie am liebsten spielen.
das betreuungsgeld sehe ich als frechheit an. es sagt "wir sind unfähig, eure kinder sinnvoll und ohne eigene hintergedanken zu versorgen und unterzubringen, solange ihr arbeitet. wir wollen nicht, dass ihr arbeitslos seid, jedoch wollen wir uns auch nicht darum kümmern müssen, was in der zwischenzeit mit euren kindern geschieht. wir wollen ein kinderfreundliches land sein, doch bitte behelligt uns nicht mit euren sorgen und nöten. aber wir haben eine lösung. bleibt einfach daheim, und wir werfen euch dafür ein wenig kleingeld hin. das ist bei weitem nicht so viel, wie ihr in einer halbtagsstelle verdienen würdet, aber das ist uns gleich. wir müssen keine neuen kigas und kitas bauen, dafür keine erzieher mehr einstellen und sparen geld. gleichzeitig senken wir die arbeitslosenquoten, denn ihr seid somit aus der statistik heraus. haben wir das nicht schlau durchdacht?"
man könnte auch einfach sagen: "frauen, bleibt daheim und kümmert euch um eure kinder, die arbeitsplätze überlasst den männern. und uns fällt auch gewiss noch etwas ein, um euch auch davon zu überzeugen, dass ihr keine ausbildung machen braucht, weil ihr später ohnehin kinder bekommt. was früher gut war, kann heute nicht schlecht sein."