Man muss schon gucken, in welcher Hinsicht Menschen mit Beeinträchtigung(en) (die heutige Bezeichnung übrigens...) "normal" behandelt werden (wollen).
Mir platzt gleich die Halsschlagader.
Als Mensch mit einem Sauerstoffmangel während der Geburt bin ich
leicht geistig behindert. Folgen: Man wollte mich noch nicht mal ärztlich untersuchen. Ich sollte keine Bildungseinrichtung besuchen, weil "eh keine Chance"...
Als Kind habe ich mich auch immer gefreut, wenn man mich bat, bei diesem oder jenem mitzumachen. Erst hinterher hatte sich dann leider rausgestellt, dass ich bloß dafür gebraucht wurde, wofür die Menschen sich lustig machen konnten - auf Deutsch: Ich wurde verarscht!
Auch heute bin ich gesundheitsbedingt selber viel mit anderen Menschen zusammen, die teilweise noch schwerer gehandicapt sind (geistig). Die freuen sich über jedes Bißchen, was man ihnen anbietet. Die würden mit jedem Typen mitgehen, der nur mal ein bißchen nett zu ihnen ist. Denen muss man dann leider auch heute noch sagen, dass sie sich nicht verarschen lassen sollen. Doch: Sie verstehen dies nicht. Die sind einfach nur glücklich, dass sie irgendwo dabei sein dürfen.
Mit anderen Worten: Menschen mit Beeinträchtigung(en) werden regelrecht benutzt! Und es wird ihnen schöngeredet!
Warum z.B. arbeite ich nicht auf dem ersten Arbeitsmarkt und warum bekomme ich in der geschützten Werkstatt kein anständiges Gehalt, um nicht vom Staat abhängig sein zu müssen? Ich arbeite doch?! So gut ich kann! Vollzeit! Ich möchte mich doch schon jetzt belohnen für meine Arbeit! Und nicht erst, wenn ich das Rentenalter erreicht habe und dann aus der großzügig eingezahlten Rentenversicherung schöpfen. Weiß ich, ob ich bis dahin noch lebe???
Ich will nicht pessimistisch sein, aber wenn ich andere Menschen sehe, die genauso arbeiten gehen und keinen Haufen Anträge ausfüllen müssen, um sich wenigstens ernähren zu "dürfen".
Ich frage mich: Müssen diese Menschen immer noch dankbar sein, dass sie am Leben bleiben dürfen?
Haben wir gar nichts gelernt???
Die Politik hat noch viel zu tun, finde ich. Die Abschaffung der Euthanasie reicht eben noch nicht...
Und was diese Reality-Shows betrifft: Die Leute werden sich - erfahrungsgemäß - auch wieder nur an den Einschränkungen "ergötzen". Mich erinnert das Ganze an das Mittelalter, in dem Menschen mit Beeinträchtigung (frühere Bezeichnungen: "Idioten", "Krüppel"!) auf Jahrmärkten zur Schau gestellt werden sollten - zur Unterhaltung der anderen.
Und noch was, was die Integration betrifft: Wie keke und grizzabella es schon richtig sagen: BITTE mit ANSTAND und WÜRDE!!!
Integration heißt, Menschen mit Beeinträchtigung in diese, unsere Gesellschaft zu integrieren. Und diese Gesellschaft sind wir alle! Also sind ALLE gefragt. Was mir noch auffällt: Eine ganz dumme Angewohnheit, Behinderungen zu pauschalisieren. Behinderungen sind relativ! Es gibt nicht nur körperliche und/oder geistige Behinderungen (Körperbehinderungen sind nicht immer gleich auch geistige Behinderungen, liebe Mitmenschen!), sondern auch organische Beeinträchtigungen. Wenn ich da an die Menschen denke, die tagtäglich an die Dialyse müssen... Wir sollten auch vorsichtig sein, mit bestimmten Begriffen. So ist z.B. gehörlos nicht gleich taub. Gehörlos ist man, wenn man nur minimal mit einem hochgradig verstärkten Hörgerät bzw. mit einem CI noch etwas hören kann. Taub ist man, wenn gar nichts mehr geht, was das Hören betrifft.
Integretion heißt auch: Natürlicher, offener Umgang. Es gibt immer noch viel zu viele Berührungsängste! Integration heißt: Kein säuselnder Tonfall und nicht den Ton, als wäre dieser Mensch mit 40°
Fieber krank. Leider habe ich auch schon einen Tonfall erlebt, der sehr beherrschend und militant klang, nach dem Motto: "Mach mir jetzt bloß keine Probleme hier!"
Integration heißt: Helfen, wenn die Hilfe
erwünscht ist. Ich habe auch schon erlebt, dass man mir "ja nur helfen will!" und ich "doch bitte schön dankbar sein soll, dass mir überhaupt jemand helfen will!" Wundern sich die Leute, warum mancher "Behinderte denn plötzlich so - aggressiiiv - wird..." Nein! Es ist einfach nur ein - hoffnungsloser? - Versuch, sich mal zu behaupten! Ein Mensch mit Beeinträchtigung merkt immer noch selber, wann er Hilfe braucht und wann nicht. Wer nicht gerade stumm ist, kann reden!
Sorry, wenn ich so abgeschweift bin. Aber wenn ich sowas lese, kommt mir halt alles wieder hoch und ich muss mich ja mal...aus :kotz: en!
Bearbeitet von Monschi am 26.11.2009 19:13:41