Zitat (knollekater, 20.03.2010) |
Ich geb Euch in vielen Antworten Recht!!,aber muß man sich nicht die Frage stellen wieso kommt es immer zu Gewaltaten gerade bei Jugendlichen? Irgend etwas kann doch dabei nicht stimmen......Es kommt doch kein Kind böse auf die Welt!! |
Hierauf versuche ich Dir jetzt mal zu antworten, da ich sozusagen direkt an der Quelle sitze.
Was mir immer wieder in meiner Arbeit mit Kindern auffällt, ist, daß viele Eltern heute gar nicht wissen, wie sie ihr Kind "behandeln" sollen. Das geht schon im Kleinkindalter los: Sobald ein Problem auftritt, wird erstmal gegoogelt oder aber ein Erziehungsratgeber in Buchform zur Rate gezogen, anstatt einfach mal auf sein Gefühl zu vertrauen. Es wird nicht mehr darauf geschaut, welches Bedürfnis das einzelne Kind hat, sondern was derjenige Fachautor, der gerade trendy ist, zu dem Thema zu sagen hat.
Ein weiterer Punkt ist die Entfremdung des Kindes von seiner Umwelt, soll heißen: Anstatt mit Gleichaltrigen auf der Straße zu spielen und Konflikte OHNE Erwachsene zu lösen, ( im Fachjargon nennt man das "Sozialkompetenz") werden die Kinder häufig von den Eltern verplant (ihr könnt Euch nicht vorstellen, wie gefüllt der Terminkalender eines sechsjährigen Kindes sein kann!!!). Das wiederum führt dazu, daß Kinder zwar mit acht gut englisch sprechen können oder Klavier spielen, aber nicht in der Lage sind, eine Leiter hochzuklettern, bzw angemessen zu reagieren, wenn jemand in Gefahr ist, geschweige denn, die einfachsten alltäglichen Dinge auf die Reihe zu kriegen. Und Kinder, die kein Gefühl für den eigenen Körper haben, können auch schlecht einschätzen, wann gewisse Grenzen erreicht sind. Krass ausgedrückt: Wie soll ein Kind merken, was einem Anderen wehtut, wenn es den eigenen Körper schon nicht richtig spürt?
Zum Thema Dauerfernsehkonsum brauche ich hier bestimmt nichts mehr sagen, denn das dürfte klar sein!
In einer Fortbildung, in der es um das Thema "Empathie" ging, habe ich kindgemäße Geschichten erhalten, in denen unterschiedliche Konfliktsituationen geschildert werden und die Kinder eine Lösung entwickeln sollen. Viele können das gar nicht mehr, weil die Eltern ihnen das normalerweise abnehmen, bzw weil sie durch lauter Fernsehkonsum, Englischunterricht, frühkindliche Hochbegabenförderung das wahre Leben an ihnen vorbeigezogen ist. Viele Kinder sind nicht in der Lage, die Gefühle zu benennen, die sie beschäftigen. Im schlimmsten Falle führt es dazu, daß sie als Heranwachsende gar nicht empfinden, daß sie anderen wehtun. (körperlich sowie seelisch)
Und von der Vorstellung, daß gewaltbereite Jugendliche nur in den "Unterschichten" zu finden sind, können wir uns getrost verabschieden. Das war vielleicht Mitte der Neunziger so, mittlerweile ist es überall angekommen.
Versteht mich jetzt nicht falsch, ich will natürlich nicht behaupten, daß Musikunterricht dem Wohl des Kindes schadet, es geht mir hier nur um ein übertriebenes Maß an "Input"
So viel zu Deiner Frage, ich weiß, es sprengt ein wenig den Rahmen, finde, die Frage ist aber auch Teil der Diskussion.
Bearbeitet von Heiabutzi am 20.03.2010 22:52:19