Hallo B)
meine Frau ist Erzieherin in einem Lehrlingswohnheim.Hat also täglich mit Teenis zu tun.
Sie hatte diesen Artikel mitgebracht: :rolleyes:
Keine Ahnug !
Erwachsende sind nervig. Sie wollen einen entschlüsseln und enträtseln. Ständig bohren sie mit Fragen in einem rum. Also müssen Jugendliche Mittel suchen, um sich zu wehren. Zum Beispiel mit Geheimsprachen und eigenen Codes. Mit kryptischen SMS-Mitteilungen. Einige Erwachsende kriechen ihren Kindern bis ins Tagebuch und ins Internet hinterher und denken, sie könnten im Chatroom Lösungen für manche Rätsel finden. Lächerlich. Es gibt keine Teeny-Chat-Seite, die ein Erwachsender verstehen könnte.
( Eben, soll er auch gar nicht.)
Wissenschaftler lassen die Hirnströme Jugendlicher über Monitore laufen und trösten verunsicherte Eltern: In der Pubertät befindet sich eine Großbaustelle unter dem Haarschopf ihrer Kinder. Nicht nur Hormone spielen verrückt, im Hirn kommt es zu dramatischen Verschiebungen und Veränderungen. Synapsen wirbeln wild durcheinander, alte Verknüpfungen werden gelöst, neue Hirnzellen vernetzen sich. Man kann nur ratlos abwarten, die Supernanny rufen oder einen der tausend Erziehungsratgeber kaufen. „Teenager- Wesen von einem anderen Stern?“
Als Übersetzungshilfe für Eltern und Erzieher geben Linguisten sogar Wörterbücher der Jugendsprache heraus. Beim gemeinsamen Abendessen schlägt der Vater heimlich unterm Tisch nach, wovon seine Tochter gerade redet. Wird er Pech haben. In der Zeit, die das Lexikon zum Erscheinen brauchte, hat die aktuelle Jugendsprache längst andere Wörter und Begriffe entwickelt. Notgedrungen. Denn raffinierte Webetexter greifen jede Wortschöpfung sofort auf und biedern sich damit in ihren Fernsehspots an. Elemente der Jugendsprache sind längst in Umgangsprache und Duden eingezogen. Sogar in Schulbüchern gibt es ganze Kapitel darüber. Mittlerweile finden auch die Altvorderen eine Sendung cool und geil oder haben keinen Bock, Schokoladenkekse zu backen. Also müssen die Teenies schleunigst neue Wörter finden, um sich abzugrenzen.
Wäre ich nicht Lehrerin, würde ich im sprachlichen Bereich auch oft ratlos sein. Was, die neuen Sneakers sind fett? Meine Lederjacke ist voll gangsta? Der junge Sportlehrer echt killer? Mir aber ist es möglich, an hunderten von Jugendlichen neue Sprachphänomene zu studieren. Aus Tonfall, Mimik und Gestik kann ich meistens dunkel erahnen, was einzelne Wörter bedeuten. „Fett.gangsta,killer“ sind z.B. Ausdrücke tiefster Bewunderung. Die größten Komplimente, die man sich vorstellen kann.
Ein richtig rührendes Kompliment ist es übrigens auch, wenn mir ein Schüler der 9. Klasse in der Pause aufgeregt etwas erzählt und mich spontan dabei duzt. Vielleicht auch ein liebevolles „Weißte, Alter?“ hinzufügt. Wobei ich es als pädagogisches Vorbild nicht lassen kann, darauf hinzuweisen, dass ich eine Frau bin und das Anrecht auf die Anrede „Ey, Alte!“ habe. Damit habe ich das vertrauensvolle Gespräch natürlich treffsicher abgewürgt.
Meine findigen Schüler haben derzeit eine Lieblingsfloskel, mit der man einfach jede Frage beantworten kann. Egal, worum es geht. „Wo steht in diesem Aufsatz das Akkusativobjekt?“ „Keine Ahnung.“ „Warum hast du schon wieder deine Hausaufgaben vergessen?“ „Keine Ahnung.“ „Was ist mit dir los, du wirkst so bedrückt? Gibt es Probleme?“ „Keine Ahnung.“ „Kommst du nun mit auf die Klassenfahrt?“ „Keine Ahnung.“ Diese Antwort ist schnell, bequem und definitiv. Der Lehrkörper wirkt irritiert. Er versteht diese Ahnungslosigkeit noch, wenn es um Vokabeln und Lerninhalte geht. Aber handelt es sich um Beziehungen und Befindlichkeiten, ist „Keine Ahnung.“ ziemlich unglaubwürdig.
Meine Schüler haben noch diverse andere Mittel, Eindeutigkeit zu vermeiden. „Hast du das Buch gelesen?“ „Nicht wirklich.“ „Hast du den Klassenraum gefegt?“ „Nicht wirklich.“ Das klingt verbindlicher und netter als ein krasses „Nein, habe ich nicht. Haben Sie ein Problem damit?“
Beliebt in Aufsätzen und mündlichen Antworten ist „und so weiter“. Damit wird dem Lehrer signalisiert, dass hier ein immenses Wissen ruht, so immens, dass es die Grenzen einer einzelnen Schulstunde sprengen würde, Eine ähnliche Funktion hat das Wort „irgendwie“. Es deutet ebenfalls auf großes Hintergrundwissen hin, man kann es nur momentan nicht in die Worte fassen, die der Lehrkörper versteht. Ziel all dieser Floskeln ist es, nebulös zu bleiben und sich insistierenden Erwachsenen zu entziehen.
Aber wie gesagt: Auch Erwachsende sind lernfähig. „Wann korrigieren Sie endlich unsere Aufsätze?“, fragt mich Jan. Ich grinse:
„Keine Ahnung, Mann. Hast du ein Problem damit?“
Gabriele Frydrych
Bearbeitet von Heinzi am 17.02.2006 13:21:19
meine Frau ist Erzieherin in einem Lehrlingswohnheim.Hat also täglich mit Teenis zu tun.
Sie hatte diesen Artikel mitgebracht: :rolleyes:
Keine Ahnug !
Erwachsende sind nervig. Sie wollen einen entschlüsseln und enträtseln. Ständig bohren sie mit Fragen in einem rum. Also müssen Jugendliche Mittel suchen, um sich zu wehren. Zum Beispiel mit Geheimsprachen und eigenen Codes. Mit kryptischen SMS-Mitteilungen. Einige Erwachsende kriechen ihren Kindern bis ins Tagebuch und ins Internet hinterher und denken, sie könnten im Chatroom Lösungen für manche Rätsel finden. Lächerlich. Es gibt keine Teeny-Chat-Seite, die ein Erwachsender verstehen könnte.
( Eben, soll er auch gar nicht.)
Wissenschaftler lassen die Hirnströme Jugendlicher über Monitore laufen und trösten verunsicherte Eltern: In der Pubertät befindet sich eine Großbaustelle unter dem Haarschopf ihrer Kinder. Nicht nur Hormone spielen verrückt, im Hirn kommt es zu dramatischen Verschiebungen und Veränderungen. Synapsen wirbeln wild durcheinander, alte Verknüpfungen werden gelöst, neue Hirnzellen vernetzen sich. Man kann nur ratlos abwarten, die Supernanny rufen oder einen der tausend Erziehungsratgeber kaufen. „Teenager- Wesen von einem anderen Stern?“
Als Übersetzungshilfe für Eltern und Erzieher geben Linguisten sogar Wörterbücher der Jugendsprache heraus. Beim gemeinsamen Abendessen schlägt der Vater heimlich unterm Tisch nach, wovon seine Tochter gerade redet. Wird er Pech haben. In der Zeit, die das Lexikon zum Erscheinen brauchte, hat die aktuelle Jugendsprache längst andere Wörter und Begriffe entwickelt. Notgedrungen. Denn raffinierte Webetexter greifen jede Wortschöpfung sofort auf und biedern sich damit in ihren Fernsehspots an. Elemente der Jugendsprache sind längst in Umgangsprache und Duden eingezogen. Sogar in Schulbüchern gibt es ganze Kapitel darüber. Mittlerweile finden auch die Altvorderen eine Sendung cool und geil oder haben keinen Bock, Schokoladenkekse zu backen. Also müssen die Teenies schleunigst neue Wörter finden, um sich abzugrenzen.
Wäre ich nicht Lehrerin, würde ich im sprachlichen Bereich auch oft ratlos sein. Was, die neuen Sneakers sind fett? Meine Lederjacke ist voll gangsta? Der junge Sportlehrer echt killer? Mir aber ist es möglich, an hunderten von Jugendlichen neue Sprachphänomene zu studieren. Aus Tonfall, Mimik und Gestik kann ich meistens dunkel erahnen, was einzelne Wörter bedeuten. „Fett.gangsta,killer“ sind z.B. Ausdrücke tiefster Bewunderung. Die größten Komplimente, die man sich vorstellen kann.
Ein richtig rührendes Kompliment ist es übrigens auch, wenn mir ein Schüler der 9. Klasse in der Pause aufgeregt etwas erzählt und mich spontan dabei duzt. Vielleicht auch ein liebevolles „Weißte, Alter?“ hinzufügt. Wobei ich es als pädagogisches Vorbild nicht lassen kann, darauf hinzuweisen, dass ich eine Frau bin und das Anrecht auf die Anrede „Ey, Alte!“ habe. Damit habe ich das vertrauensvolle Gespräch natürlich treffsicher abgewürgt.
Meine findigen Schüler haben derzeit eine Lieblingsfloskel, mit der man einfach jede Frage beantworten kann. Egal, worum es geht. „Wo steht in diesem Aufsatz das Akkusativobjekt?“ „Keine Ahnung.“ „Warum hast du schon wieder deine Hausaufgaben vergessen?“ „Keine Ahnung.“ „Was ist mit dir los, du wirkst so bedrückt? Gibt es Probleme?“ „Keine Ahnung.“ „Kommst du nun mit auf die Klassenfahrt?“ „Keine Ahnung.“ Diese Antwort ist schnell, bequem und definitiv. Der Lehrkörper wirkt irritiert. Er versteht diese Ahnungslosigkeit noch, wenn es um Vokabeln und Lerninhalte geht. Aber handelt es sich um Beziehungen und Befindlichkeiten, ist „Keine Ahnung.“ ziemlich unglaubwürdig.
Meine Schüler haben noch diverse andere Mittel, Eindeutigkeit zu vermeiden. „Hast du das Buch gelesen?“ „Nicht wirklich.“ „Hast du den Klassenraum gefegt?“ „Nicht wirklich.“ Das klingt verbindlicher und netter als ein krasses „Nein, habe ich nicht. Haben Sie ein Problem damit?“
Beliebt in Aufsätzen und mündlichen Antworten ist „und so weiter“. Damit wird dem Lehrer signalisiert, dass hier ein immenses Wissen ruht, so immens, dass es die Grenzen einer einzelnen Schulstunde sprengen würde, Eine ähnliche Funktion hat das Wort „irgendwie“. Es deutet ebenfalls auf großes Hintergrundwissen hin, man kann es nur momentan nicht in die Worte fassen, die der Lehrkörper versteht. Ziel all dieser Floskeln ist es, nebulös zu bleiben und sich insistierenden Erwachsenen zu entziehen.
Aber wie gesagt: Auch Erwachsende sind lernfähig. „Wann korrigieren Sie endlich unsere Aufsätze?“, fragt mich Jan. Ich grinse:
„Keine Ahnung, Mann. Hast du ein Problem damit?“
Gabriele Frydrych
Bearbeitet von Heinzi am 17.02.2006 13:21:19