@rauti
weißt du eigentlich, was du da sagst?
weißt du eigentlich, was Streik bedeutet?
für dieses Recht haben Menschen ihr Leben riskiert
und es ist bis heute das einzige legale Druckmittel der Arbeitnehmer
ich bin im Öffentlichen Dienst, der Streik betrifft mich aber nicht
wir sind seit einiger Zeit keine Landesbediensteten mehr, haben unseren eigenen Tarifvertrag und was immer jetzt ausgehandelt wird, wir bekommen nichts davon
ich besitze kein Eigenheim, erst recht nicht mehrere auf dem Land
vor dem Haus steht ein 15 Jahre alter Golf, von dem ich weiß, dass er mein letztes
Autovor 3 Jahren bin ich das erste Mal seit Jahrzehnten in Urlaub gefahren, 1 Woche
Anfang Mai werde ich wieder fahren, diesmal 2 Wochen,
darauf habe ich lange gespart
damit hier kein Missverständnis aufkommt - ich jammere nicht
ich weiß, dass es mir verdammt gut geht
trotz meines mickerigen Gehalts kann ich mir einiges leisten
ich habe einen Arbeitsplatz, bei dem ich hoffen kann, dass er mir bis zur Rente erhalten bleibt, obwohl auch dafür im Öffentlichen Dienst heute keine Garantie mehr besteht
dass Wirtschaftsunternehmen Gewinne erzielen müssen, ist ja wohl klar
aber was passiert denn hier?
gestern saß der Henkel-Chef superfröhlich vor der Kamera und verkündete, dass die Firmenpolitik wunderbar funktioniert und weitergeführt werden soll, dann könne man noch höhere Gewinne erzielen
tja - und um dieses Ziel zu erreichen, werden Tausende Arbeitsplätze plattgemacht
die Arbeitnehmer schuften und wenn die Bosse sich die Tasche gefüllt haben, dann dürfen sie gehen, damit die Taschen noch voller werden
im Öffentlichen Dienst funktioniert das anders
ich arbeite seit über 30 Jahren im ÖD, werde heute noch nach dem selben Tarif bezahlt wie bei der Einstellung - als Schreibkraft
die Arbeit hat sich in all den Jahren verändert, es wird immer höhere Qualifikation verlangt
die gesamte Organisation des Fachs ist meine Aufgabe, die Finanzverwaltung, Bestellungen, angefangen vom Einholen der Angebote bis hin zum Veranlassen der Bezahlung, gehen durch meine Hände,
den Computer benutze ich schon seit unendlicher Zeit nicht mehr als Schreibmaschine, ich arbeite mit Profi-Grafikprogrammen, betreue Webseiten, installiere Programme, erkläre fast täglich Chefs und Kollegen, wie sie mit ihren Computern umgehen sollen
ich sitze auf 2 Halbtagsstellen,
davon 23 Jahre im selben Fach, am selben Platz
vor gut einem Jahr ging einer meiner beiden Chefs in Rente, er war ein C4-Prof
seine Nachfolgerin ist eine W2-Professorin, ihr steht keine Sekretärin zu
deshalb wurde die eine Stelle gestrichen
man hat mich nicht halbtags entlassen, man hat mich versetzt in ein anderes Fach
das heißt aber nicht, dass ich an meiner ersten Stelle nur noch die Hälfte arbeite
nein - es ist völlig selbstverständlich, dass ich die gleiche Maloche mache wie vorher am ganzen Tag, jetzt halt am halben Tag
und das an beiden Stellen
d.h. die Arbeit hat sich verdoppelt
ich bekomme aber nicht einen Cent mehr Gehalt
und dieses Vorgehen hat Methode,
es werden immer mehr Stellen eingespart
nicht durch Entlassungen, einfach durch Nichtwiederbesetzung
die Arbeit wird auf die Verbliebenen verteilt
um das noch einmal deutlich zu sagen
ich jammere nicht, mir geht es gut
das würde mich aber nicht daran hindern, auf die Straße zu gehen und zu streiken
diejenigen, die streiken, tun das nicht nur für sich selbst
sie tun es auch für die nicht Organisierten,
sie tun es für ein Recht, für das einmal Menschen gestorben sind
klar, sollen doch diejenigen, denen es eigentlich recht gut geht, die Klappe halten
es ist doch früh genug, sich zu beklagen, wenn man am Boden liegt
dazu fällt mir nur eins ein
"Wehret den Anfängen"