Zitat (anderle1 @ 03.05.2021 08:15:31) Da kannst du nur mit den anderen Müttern sprechen. In Ruhe und nicht gleich mit Vorwürfen.
Je nachdem, in welchem Umfeld man sich aufhält, bringt dieser Lösungsversuch Erfolg oder er scheitert total. Ich möchte mal eine Vor-Corona-Beobachung beisteuern: ich war gezwungen, die U-Bahn zu nutzen, fand einen freien Gang-Platz in einem 4er Karree von Sitzen. Neben mir saß ein älterer Mann, der Kleidung nach zu urteilen, nicht in den vermögendsten Verhältnissen lebend, seine Körperhaltung strahlte wenig Selbstbewusstsein aus. Die gegenüberliegenden Sitze waren besetzt von einer Mutter und ihrem etwa 7-jährigen Sohn, an der Kleidung der Mutter war zu erkennen, dass sie Muslima war. Kurz nach Abfahrt der U-Bahn fing der Junge an, mit seinen Beinen zu schlenkern, mit den Fußspitzen immer weiter in Richtung der Beine des älteren Mannes zielend, der daraufhin seine Beine unter den Sitz zog. Für den Jungen war das offenbar die Aufforderung, weiter zu machen und sein Bein nun noch weiter in Richtung des Mannes zu schlenkern. Dabei schaute er den Mann als auch mich frech an. Mutter beobachtete das Geschehen, sagte aber keinen Ton. Ich (weiblich) griff ein und forderte den Jungen höflich auf, dieses Treten in Richtung meines Nachbarn zu unterlassen, worauf der seine Mutter anguckte, die immer noch nichts sagte. Der Köttel machte daraufhin um so heftiger weiter, sein ausgestrecktes Bein zielte inzwischen zwischen die Beine meines Nachbarn - immer noch keine Reaktion der Mutter! Mein Nachbar war inzwischen völlig in sich zusammengesunken, wusste kaum noch, wie er sich setzen sollte, um den Tritten des Jungen zu entgehen.
Erst als ein Mann, der neben mir im Mittelgang stand und das Ganze beobachtet hatte, den Jungen laut und deutlich anbrüllte, wenn er jetzt nicht mit dem Sch....aufhörte, würde er ihn eigenhändig aus der Bahn werfen, zeigte das Erfolg. Beim Verlassen der Bahn konnte man deutlich hören, dass die Mutter mit ihrem Sohn Deutsch sprach, demzufolge wohl auch gut verstanden hatte, was ich zu ihrem Sohn gesagt hatte.
Ich möchte mich hier in keinster Weise fremdenfeindlich äußern, als Lehrerin sind mir jahrzehntelang ähnliche, respektlose Ereignisse auch von deutschen Kindern bekannt geworden. Es gibt überall Eltern, die großen Wert darauf legen, ihre Kinder so zu erziehen, dass sie im späteren Leben in Gemeinschaften zurechtkommen, aber auch zunehmend Eltern, denen die
Erziehung ihrer Kinder völlig gleichgültig ist, weil Kindererziehung Engagement bedeutet und nicht damit abzuleisten ist, dass die Blagen neben den Eltern vor der Glotze sitzen und hirnbefreite Sendungen konsumieren, oder -um das soziale Milieu zu wechseln- den Sprösslingen allen erdenklichen Luxus in den Enddarm schieben, Hauptsache, sie stehen nicht den beruflichen oder privaten Interessen der Eltern im Wege.
Solche Eltern überlassen die Erziehung dann gerne den Schulen, auch den Teil, der eigentlich vom Elternhaus erbracht werden müsste. Gefördert wird diese Einstellung der Eltern durch die Ganztagsbetreuung in den Schulen, die manche Eltern als willkommene Übernahme der Erziehungsverantwortung durch die Institution Schule ansehen. Das aus den Köpfen mancher Eltern wieder `rauszubringen, ist je nach Bildungsniveau der Eltern, fast aussichtslos. Immerhin kann diesen Kindern dann in der Ganztagsbetreuung durch die Schule doch ein Teil der sozialen Kompetenz vermittelt werden, die ihre Eltern ihnen nicht leisten können oder wollen.
Ich möchte noch ein Beispiel für unfähige Eltern aus meiner Berufserfahrung schildern. Jürgen, 11 Jahre, Schüler einer 6.Klasse am Gymnasium, fiel immer mal wieder auf, dass er versuchte, Mitschüler durch Androhung von Prügeln zu etwas zu bewegen, was laut Schulordnung nicht erwünscht war. Versuche der Klassenlehrerin, mit den Eltern in Kontakt zu treten, waren erfolglos, auf Schreiben der Schule folgte keine Reaktion der Eltern. Der Junge fiel auch häufiger durch nicht zum Wetter passende oder auch schmuddelige Bekleidung auf, seine Sportbekleidung nahm er nach Gebrauch nie mit nachhause, sondern lagerte sie in seinem Spind. Entsprechend muffelten die Sachen, so dass sich die Klassenlehrerin erbarmte und alle paar Wochen die Sportkleidung von Jürgen mit nachhause nahm und wusch. Dann kam die Klassenfahrt, 5 Tage in einem Landschulheim. 32 Kinder, zwei Begleitpersonen. Jürgen war das einzige Kind, das mit schwerer Tasche alleine am Bus ankam, kein Elternteil in Sicht. Im Landschulheim angekommen, stellte sich heraus, dass Jürgen seine Tasche selbst und ohne elterliche Unterstützung gepackt hatte, es fehlten bestimmte Kleidungsstücke (wetterfeste Jacke, Socken zum Wechseln, Badehose) die die Klassenlehrerin auf einer Liste für die Eltern zusammengestellt hatte. Dafür hatte Jürgen Unmengen an Chips,
Süßigkeiten und Flaschen mit Cola eingepackt, alles Dinge, deren Mitnahme die Klassenlehrerin untersagt hatte. Der von Jürgen eingeschmuggelte Gameboy wurde auch gleich konfisziert, dazu noch ein Schmetterlingsmesser, mit dem sich Jürgen schon während der Busfahrt vor seinen Mitschülern dicke tat.
Die Kinder hatten Tischdienst zu leisten, bei jeder Mahlzeit waren von den 8 Schülern an einem
Tisch immer vier für das Tischdecken und das Abholen der Speisen in der Küche, die anderen vier für das Abräumen nach der Mahlzeit zuständig. Serviert wurde auf Platten und in Schüsseln, Fleischportionen waren personenbemessen (aber nicht sparsam), Beilagen reichlich. Die Kinder waren informiert über diese Zuteilung. Ich saß zunächst am Nachbartisch von Jürgen, und bekam am ersten Tag durch lauten Protest der Kinder folgendes mit: es gab Schnitzel mit
Kartoffeln und Gemüse, Jürgen machte sich über die Platte mit den Schnitzeln her, kaum dass sie auf dem Tisch stand, und lud sich vier von den acht Schnitzeln auf den Teller. Drei Kinder an diesem Tisch gingen also leer aus. Nachdem Jürgen es auch nicht für nötig gehalten hatte, sich seine Schmutzfinger vor dem Essen zu waschen, und die Schnitzel mit ebendiesen Fingern von der Platte gegrapscht hatte, wollte keines der Kinder ein Schnitzel von Jürgens Teller zurückbekommen. Gut, für diese Mahlzeit blieben sie ohne Fleisch, Jürgen aber nicht ohne eine anschließende klärende Aussprache mit der Klassenlehrerin und mir.
Am nächsten Morgen zum
Frühstück wurden Brötchen und Brot gereicht, für jedes Kind ein Brötchen, Brot konnte beliebig genommen werden oder sogar in der Küche nachgeholt. Ich war zunächst beschäftigt, die Verteilung der Teller und Platten in der Küche zu beaufsichtigen, kam an meinen Platz (inzwischen an Jürgens Tisch) und musste feststellen, dass Jürgen sich fünf der acht Brötchen gekrallt hatte und auch nicht bereit war, eines davon abzugeben. Da seine Finger mittlerweile nicht sauberer geworden waren, fiel der Verzicht für uns Leerausgegangene nicht schwer, der Ärger darüber, dass Jürgen dann nur zwei von den Brötchen gegessen und die anderen liegengelassen hat, war bei allen sehr groß. Es folgte eine erneute Aussprache mit der Klassenlehrerin und mir. Wenig Einsicht bei Jürgen, die Situation konnte bei den restlichen Mahlzeiten nur dadurch geregelt werden, dass ich die Verteilung der limitierten Nahrungsmittel übernahm und bei den anderen aufpasste, dass Jürgen sich nicht ohne jegliches Maß bediente und ohne das Bewusstsein, das er die Riesenportionen, die er sich auftun wollte, gar nicht aufessen konnte.
Über Jürgens Tischmanieren schweige ich lieber, sie erklärten aber die oft schmuddelige Kleidung zur Genüge.
Bei der Rückfahrt und nach Ankunft an der Schule klärten sich manche Dinge für die Klassenlehrerin und mich. Den Eltern war vor Abreise bereits schriftlich mitgeteilt worden, dass wir auf der Rückfahrt an einer Autobahnraststätte anhalten und den Kindern Gelegenheit gäben, zuhause anzurufen, um den genauen Ankunftstermin durchzugeben (Handys waren damals noch nicht verbreitet). Jürgen war der Einzige, der es mehrmals versuchte, aber keinen Elternteil ans Telefon bekam. Ziemlich pünktlich kamen wir an der Schule an, wo die Eltern ihre Kinder samt Gepäck in Empfang nahmen, sich bei uns bedankten und von dannen zogen. Nur Jürgen stand alleine samt immer noch zu schwerer Tasche da. Einen Elfjährigen kann man nicht unbeaufsichtigt zurücklassen, so wartete die Klassenlehrerin, während ich im Schulsekretariat mehrmals versuchte, mit Jürgens Eltern telefonisch Kontakt aufzunehmen - vergeblich! Die Kollegin und ich blieben weiterhin gemeinsam bei Jürgen, der den Tränen schon sehr nahe war, und harrten der Dinge, die da kommen sollten. Wir warteten eineinhalb Stunden, bis Jürgens Vater erschien, sichtlich alkoholisiert und in sehr ungnädiger Stimmung, die er auch sofort bei uns ablud, indem er uns beschimpfte, weswegen wir so früh zurückkämen (es war mittlerweile 13.30 Uhr, angekündigt war die Ankunftszeit für 11 bis 12 Uhr). Ohne weiteres Wort schoben Jürgen und sein Vater ab, die schwere Tasche musste Jürgen schleppen.
Eine Nachgeschichte gibt es dazu noch: Jürgen hatte wohl gemerkt, dass die Klassenlehrerin und ich es gut mit ihm meinten. In seinen gesamten restlichen 7 Jahren bis zum Abitur hat er immer wieder Kontakt zu uns gesucht, wenn er unsicher in Entscheidungen war, Rat suchte o.ä., obwohl wir ihn in späteren Jahren nicht mehr in unseren Klassen hatten. Er hätte sicher einen leichteren Start haben können, wenn das Elternhaus mit Vorbildfunktion und guter Erziehung hinter ihm gestanden hätte. So musste er sich erst einmal die eine oder andere blutige Nase holen, bis er auf den richtigen Weg kam. Seine eigenen Erfahrungen haben in dazu bewogen, als Sozialpädagoge an Schulen zu gehen und Kindern, die wenig bis keine häusliche Unterstützung haben, zu helfen.
.